High Tea
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Abwarten und Tee trinken …

von Gabriele Gugetzer
Freitag, 28.06.2019
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Eine HOGAPAGE-Hommage an die gepflegte britische Teekultur – die gerade in Europa wohl deutlich mehr Sympathiepunkte sammelt als die munteren Protagonisten des EU-Austrittsabkommens. Gefürchtet sind sie als Fußballfans und Brexiteers. Geschätzt sind die Briten als Erfinder des Afternoon Tea. Der hält auch in deutschen Hotels zunehmend Einzug.

Eine gut gemachte Teestunde ist eine Visitenkarte fürs Haus. Jedes Londoner Traditionshotel bietet Afternoon Tea an. Ihn gut zu machen, erfordert Teewissen, Service, eine sehr genaue Vorstellung von den Gästen und dem eigenen Haus. Dem vierköpfigen Team von Chef Patissier Jonas Zipfel ließ man im Hamburger Park Hyatt beispielsweise sechs Monate Zeit zur Entwicklung eines Afternoon Teas, der nun, wo er mal steht, zu besonderen Tagen oder saisonal variiert werden kann, ohne dass die Küche kollabiert.

Aber: Unterm Strich lässt sich mit Afternoon Tea stilvoll Geld verdienen. Nicht nur die zentral gelegenen Londoner Hotels gewinnen damit Stammgäste über Generationen. Denn sie begehen einen Fehler nicht, nämlich den Afternoon Tea als Lizenz zum Gelddrucken zu verstehen und bei der Qualität zu sparen.

Mit dem Afternoon Tea Stammgäste finden und pflegen

In London leben die Afternoon-Tea-Hotels eben mitnichten von Touristen, die einmal im Leben nach London reisen, ahnungslos sind und sich abzocken lassen. Sie leben ebenso von Londonern, überdies inländischen Besuchern, die eine Stippvisite oder einen Nachmittag dazu nutzen, mal wieder gepflegt zum Tee zu gehen. Eine schlechte Mundpropaganda, schlimmer noch ein schlechtes Preis-Leistungs-Verhältnis leistet sich kein Traditionshotel. Wer im Dorchester, im Savoy und wie sie alle heißen, das Geld für eine Übernachtung nicht hat, wird sich den Afternoon Tea dennoch leisten und überdies zutrauen. Denn er ist keine Erfindung der Luxushotels, sondern Teil der britischen DNA. Afternoon Tea ist quer durch die Bevölkerung beliebt und eignet sich für Einzelreisende, Freundinnen, ein Tête-à-Tête, den Babyshower, Geschäftstreffen. Selbst für Kinder, wie es das Langham vormacht.

Das brauchen Sie:

  • Einen schönen Rahmen
  • Qualitätstee und gutes Wissen dazu
  • Kundigen Service

Wo und wie?

Kaum ein Luxushotel der Welt besitzt einen Raum wie das Café Royal in London, das den Afternoon Tea in seiner prächtigen Oscar Wilde Lounge zelebriert. Auch ist kein anderes deutsches Hotel so lässig britisch wie das Schlosshotel Kronberg. (Dort wird im Frack serviert, und nach dem Afternoon Tea gibt’s eine im Preis inkludierte Hausführung.)

Was beide Hotels besitzen, ist aber viel mehr als das Glück des passenden Orts. Sie haben einen unverkennbaren Stil, der durchgehalten wird. Wer seinen Stil kennt, kann den Afternoon Tea auch in der Lobby veranstalten – so machen es das Savoy und das Schweizer Suvretta House. Ein gut geschnittener Raum mit Ausblick passt ebenso.

Das Mobiliar muss bequem, aber nicht zu tief sein, sonst kommt man nur mit Ächzen an den Tee. Das Geschirr bitte zart und nicht zu bunt halten. Aus hauchdünnen Bone-China-Tässchen schmeckt Tee einfach besser. Wenn Sie sich wie das Park Hyatt und das Fontenay Dibbern leisten oder wie das Claridge’s in London bei Bernardaud gleich eine Hotel-Kollektion in Auftrag geben können… gut für Sie. Es kann aber auch ein schöner und außergewöhnlicher Flohmarktfund sein. Hauptsache, die Teetassen haben eine große Öffnung.

Scones müssen warm serviert werden, beispielsweise in einem speziellen Behältnis. Im Park Hyatt ist das eine japanisch anmutende Keramikschüssel mit Deckel. Eine schöne Stoffserviette wie im Fontenay Hotel tut’s auch.

Musik kann, muss nicht. Service muss! Küchen wie das Dorchester zaubern am laufenden Band frische Sandwiches, die der Service auf Tabletts durch die passend benannte Promenade des Hotels trägt. Es wird auf Handzeichen am Tisch serviert, ohne Aufpreis.

Sandwiches
Fotos: iStockphoto

Und was gibt’s zu essen?

Beim Afternoon Tea Sandwiches. Scones. Süßes. In dieser Reihenfolge. Natürlich möchte der Patissier zeigen, was er kann. Aber das darf nicht in einen Zuckerschock ausarten. Cremig sticht Süß, ist die Devise. »Wenig Zucker lässt das Aroma im Tee zur vollen Geltung kommen«, erklärt Bernhard-Maria Lotz, Leiter der Tea Academy von Ronnefeldt. Lieber bei der Optik süß werden… wie im Prêt-à-Portea im Berkeley Hotel oder beim Alice-in-Wonderland-Tee im Sanderson Hotel.

Sandwiches mögen die Engländer gerne altmodisch – siehe Infobox. Generell gilt, dass die Füllung zwischen würzig, herzhaft, cremig und säuerlich abwechslungsreich und pikant abgeschmeckt ist. Londons Luxushotels erwähnen regionale Top-Produkte und Lieferanten auf der Sandwich-Karte; vielleicht auch hierzulande eine Idee? Christoph Hesse, der neue Küchendirektor im Schloss Kronberg, kombiniert gerne außergewöhnlich, dennoch absolut zugänglich. Roastbeef mit Erdnussbutter beispielsweise, Schnittkäse mit Hummus.

Marco D’Andrea vom Fontenay in Hamburg backt nicht nur die Scones erst direkt nach der Bestellung, weshalb der Gast eben mal 20 Minuten auf den Afternoon Tea wartet. Sondern er macht auch seine Clotted Cream selbst; auf YouTube gibt’s das Video. Etwas untypisch gibt er Karamellstückchen dazu, dafür würde er in den Herkunftsregionen Cornwall und Devon zwar geschlagen, aber es schmeckt! Die süßen Sachen werden mit selbst gemachten Marmeladen serviert; die aufwendige Zitrusmarmelade mit handgeschnittenen Fruchtfilets wird auch im Fontenay-Shop verkauft. Die Etagere ist nicht überladen, es gibt nur vier verschiedene Törtchen. Die Aromatik ist salzig, schokoladig, cremig, knusprig, fruchtig.

Und für den größeren Hunger gibt’s beispielsweise Kalbstatar mit Gazpacho, Matjes auf Röstbrot und Chicoréeschiffchen mit kandiertem Crunch.

Für den süßen Zahn

Macarons, Tarte au Citron, Éclairs sind französische Klassiker auf englischen Etageren. Schokomousse können beide, Erdbeeren… da gehen wir in Richtung England. Der zweifarbige Battenberg Cake, Bakewell Tart und Pavlova aus Eischnee sind Inselklassiker, die Kontinental-Gästen schmecken dürften.

Macrons
Foto: Ruth Black / The Picture Pantry

FAQ zum Afternoon Tea

Afternoon Tea, High Tea, Royal Tea… alles eins?
Nein. Zum High Tea gehört ein warmes Gericht, es ist quasi ein frühes Abendessen. Ein Afternoon Tea bietet Häppchen in Süß und Würzig. Der Cream Tea ist süß, mit Scones und vielleicht auch Keksen. Royal Tea ist ein (selten verwendeter) Begriff für Afternoon Tea mit Champagner.

Ist eine Teatime auch was für Männer?
In Londons Innenstadthotels dürfte ein Drittel der Gäste männlichen Geschlechts sein. Bei einer Stunde mit Tee und unkomplizierten Happen, bei deren Verzehr man sich nicht blamiert, lässt sich Geschäftliches besprechen oder ein Business-Kontakt anbahnen. Auch fließt der Alkohol im Gegensatz zur sonstigen britischen Gepflogenheit nicht in Strömen. Mehr als zwei Gläser Champagner pro Person gelten als unpassend.

Welche Teesorten sollte man parat haben?
Bei Eilles hat man den Afternoon Tea als eindeutigen Trend ausgemacht und sich für Gastronomie und Hotellerie mit einem Gebinde eingestellt, das die meisten Gästewünsche abdecken sollte. 10 Basissorten und saisonale Ergänzungen sind dabei, Darjeeling in zwei Qualitäten, English Breakfast und Grüntee in Bio-Qualität, aus China ebenso den Jasminperlentee, dazu japanischen Gyokuro Asahi, natürlich Earl Grey und Assam und mehrere Früchte- und Kräutertees sowie Rooibos. Für die Optik empfiehlt man neben der Bone-China-Kanne eine silberne Kanne. Der lose Tee wird in der Küche eingewogen, mit kochendem Wasser übergossen und an den Tisch gebracht. Der Gast seiht selbst ab.

Zitrone, Milch, Kandis, Zucker – was gehört zum Tee dazu?
Englische Mischungen sind stark, ausgerichtet auf die Ergänzung mit Milch und Zucker. Bernhard-Maria Lotz empfiehlt zum Assam Milch und braunen Kandis, zu allen anderen Tees weißen Kandis. Den Zitronenschnitz rückt er nur auf Anfrage heraus – »die Säure verfälscht das Teearoma«.

Wie werden Sandwiches korrekt geschnitten?
In Fingerform, etwa drei Zentimeter breit, ohne Rand. Oder Dreiecke, ebenfalls ohne Rand. Dünn aufgeschnitten. Grahambrot oder Kastenweißbrot sind perfekt. Labbriges Toastbrot geht nicht, getoastet wird auch nix, wir sind ja nicht beim Club- Sandwich. (Was auch nicht geht.)

Die aktuellen Top 10 der englischen Teatime-Sandwiches

  • Räucherlachs/Frischkäse
  • Eiersalat mit Kresse
  • Hühnchensalat/Mayonnaise
  • Salatgurke/Frischkäse
  • Cheddarkäse/Chutney
  • Kochschinken/Senf
  • Garnelen/Mayonnaise
  • Roastbeef/Meerrettich
  • Thunfisch/Mayonnaise
  • Ofengemüse/Frischkäse

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Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

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