Die Kehrseite der Sharing Economy
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Die Kehrseite der Sharing Economy

Warum Teilen nicht immer fair ist ...

von Daniela Müller
Dienstag, 05.04.2016
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Eigentlich fing für die Hotelbranche alles recht harmlos an. Es war im August 2008, als Brian Chesky, Joe Gebbia und Nathan Blecharczyk in San Francisco (USA) die Online-Plattform Airbnb gründeten. Genauer gesagt hieß es damals noch Airbedandbreakfast – übersetzt: Luftmatratze und Frühstück. Das Geschäftsmodell: Privatleute bieten Reisenden Unterkünfte an. Airbnb stellt den Kontakt zwischen Gastgeber und Gast her und ist ausschließlich für die Abwicklung der Buchung verantwortlich. Die Transaktion findet dabei über die Plattform statt. Wie erwähnt: Klingt ­eigentlich recht harmlos. Vielleicht war das der Grund, warum das US-Portal anfangs von vielen Seiten eher als Nischenprodukt belächelt wurde. Nicht einmal acht Jahre später stellt sich die Sache so dar: Aus einem amerikanischen Traum wurde eine weltweite Bewegung. Aus drei Start-up-Unternehmern wurden drei ­Multimillionäre und aus einer nicht ernst genommenen Idee wurde eine ernsthafte Bedrohung für die Hotellerie!

Dieses Geschäft ist bisher nicht den gleichen Auflagen unterworfen wie die Hotellerie

 

Jürgen Gangl, Vorstandsvorsitzender der Hotel­direktoren­vereinigung Deutschland

130 Millionen Gäste werden bis Ende 2016 über Airbnb verreist sein

In Zahlen liest sich das Ganze so: Airbnb gibt es inzwischen in 190 Ländern. In über 34.000 Städten werden rund zwei Millionen Unterkünfte angeboten, davon etwa 60.000 in Deutschland. 80 Millionen Gäste sind bisher über die Plattform verreist – bis Ende dieses Jahres sollen es 130 Millionen Menschen sein, so die Prognose von Chris Lehane. Der Airbnb-Berater für Politik und PR managte im Übrigen in den 90ern die Skandale der Familie Clinton und arbeitete als Sprecher für US-Vize-Präsident Al Gore. »Wir sind bereits der größte Anbieter von Unterkünften auf dem Planeten«, verkündete Airbnb-CEO Chesky. Nun laute das Ziel, eine Million Aufenthalte pro Nacht zu generieren. Belächelt werden solche Aussagen heute nicht mehr. Sie dürften für die Konkurrenz eher wie eine Drohung klingen.

Starkes Preis-Leistungs-Verhältnis durch Wettbewerbsvorteil

Neben Airbnb drängen noch andere Privatzimmer-Anbieter wie Wimdu, 9flats (beide 2011 in Berlin gegründet) oder Gloveler auf den Markt. Zugutekommt den Privatzimmer-Portalen ein unstrittiger Wettbewerbsvorteil. »Dieses Geschäft ist bisher nicht den gleichen Auflagen unterworfen wie die Hotellerie, etwa beim Brandschutz oder bei den Sicherheits- und Hygienevorschriften«, sagt Jürgen Gangl, Vorstandsvorsitzender der Hoteldirektorenvereinigung Deutschland. Denn während Hoteliers verschiedene Auflagen erfüllen und entsprechend investieren müssen, bieten Airbnb und Co. die Unterkünfte nicht selbst an, sondern treten als Vermittler auf. Und bewegen sich somit in einer Grauzone. »Dabei ist Airbnb längst kein romantischer Sofa-Tourismus mehr, sondern ein knallhartes, profitorientiertes Business«, meint Marco Nussbaum. Der Co-Gründer und CEO der prizeotel Management Group gilt in der Branche als Experte im Online-Vertrieb. Er weiß, womit Plattformen wie Airbnb bei Gästen vor allem punkten können: das starke Preis-Leistungs-Verhältnis. »Wenn ein Gast zur Messe-Zeit in Berlin die Wahl zwischen einem etwas abgewohnten Hotelzimmer für 250 Euro und einem coolen Loft in Kreuzberg für 125 Euro hat, ist klar, wie die Entscheidung ausfallen wird …«

Berlin: Zweckentfremdungsgesetz verschärft

Auch Zahlen unterstreichen, warum Privatunterkünfte immer beliebter werden. Der durchschnittliche Preis für eine Übernachtung im Hotel lag in Deutschland 2015 bei 111 Euro, in einem Privatzimmer musste man lediglich 64 Euro zahlen. Das Hotelzimmer war somit im Schnitt rund 47 Euro teurer! Ein schlagkräftiges Argument für die Sharing Economy. Während der Gast Geld spart, freut sich der Gastgeber über Zusatzeinkünfte – und zwar steuerfrei. Inzwischen wird in etlichen Fällen vermutet, dass der Mieter oder Eigentümer der Wohnung diese gar nicht mehr selbst nutzt, sondern dauerhaft an Touristen vermietet. Womit Mietraum verknappt und eine »Zweckentfremdung von Wohnraum« vorliegen würde. Zuletzt bestätigte Berlin daher die beschlossenen Gesetzesverschärfungen. Wer ohne Genehmigung an Touristen vermietet, dem droht eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Was Hoteliers dennoch nicht in Sicherheit wiegen sollte.

Eine neue Abhängigkeit durch Airbnb?

Vielmehr geht es darum, aus der derzeitigen Situation die richtigen Schlüsse für den Kampf um Kunden zu ziehen. Doch welche könnten das sein? »Große Ketten wie Hyatt und Wyndham reagieren bereits, indem sie in Privatzimmer-Portale investieren. Manche Hotels stellen Zimmer bei Airbnb ein, andere warten auf eine 2-Wege-Schnittstelle, um über das Portal zusätzliches Geschäft zu machen«, weiß Gangl. Doch der Chef der Hoteldirektorenvereinigung warnt: »Wer Airbnb als Vertriebsportal nutzt, begibt sich – wie schon zuvor beim OTA (Online Travel Agency; Anm. d. Red.) – in eine neue, weitere Abhängigkeit.«

Experten raten: Weg mit den Standardisierungen

Daher stellt sich grundsätzlich die Frage: Was finden Gäste am Angebot der Privatunterkünfte besser als bei Hotels? »Bei vielen gibt es ein großes Bedürfnis nach Beheimatung, das durch die Unterkunft eines Privatanbieters besser erfüllt wird als durch die vielen normierten Hotelzimmer«, meint Robert Wissmath. Der geschäftsführende Gesellschafter der Dicon Marketing- und Beratungsgesellschaft und Experte für Social Tourism und die Sharing Economy weiß: »Zusätzlich gibt es beispielsweise bei Airbnb die Möglichkeit einer weitgehend offenen und ungeregelten menschlichen Interaktivität. Diese wird in der Hotellerie üblicherweise stark über Standardisierung bestimmt. Aber nicht alle fühlen sich wohl dabei. Insofern ist der Erfolg von Airbnb die Antwort einer ­bestimmten Gruppe auf die zunehmende Standardisierung der Hotellerie im unteren Preissegment des Marktes.« Was auch Hotelier Nussbaum so sieht: »Diese vielen von Qualitätsmanagern erstellten Prozessbeschreibungen halte ich für völligen Quatsch. Ich bin davon überzeugt, dass nur die Unternehmen Erfolg haben ­werden, die die Bedürfnisse nach Indivi­dualität am besten befriedigen. Denn schließlich sollte sich alles um den Gast drehen und nicht um lieblose Excel-­Listen.«

Essen, Garten oder Spielzeug – was heute alles geteilt wird

Autos, Wohnungen oder Büros zu teilen, ist wohl fast jedem bekannt. Aber die Welt der Sharing Economy ist sehr viel größer. Das Angebot von Anbietern im Internet wächst rasant. Inzwischen kann man die unterschiedlichsten Produkte und Dienstleistungen mit anderen teilen. HOGAPAGE hat interessante Beispiele zusammengestellt.

Das ESSEN mit Hungrigen teilen

Jeder Deutsche wirft pro Jahr rund 80 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. Auf teildeinessen.de kann man, um das zu verhindern, seine bereits zubereiteten, aber letztlich übrig gebliebenen Mahlzeiten von anderen Nutzern abholen lassen. Diese zahlen dafür den Einkaufspreis der verwendeten Lebensmittel.

Das SPIELZEUG mit Kindern teilen

Auf meinespielzeugkiste.de kann man gebrauchte Markenspielzeuge teilen, leihen oder verschenken. Ob Lego oder Playmobil, Barbie oder Gesellschaftsspiele – hier ist für jeden Kinder­geschmack etwas dabei. Nutzer können zwischen drei »Kisten« wählen und zahlen dafür jeweils eine Monatsgebühr.
www.meinespielzeugkiste.de

Das WLAN mit Nachbarn teilen

Der Online-Dienst wifis.org ermöglicht es Nachbarn, einen WLAN-Zugang zu teilen. Und zwar so: Person A registriert bei wifis.org sein WLAN und bietet es so seinen Nachbarn zur Nutzung an. Diese geben einfach die Namen der angezeigten Netzwerke ein und können so mit dem Anbieter bzw. Nachbarn in Kontakt treten.

Das WISSEN mit Lernwilligen teilen

Ob Fremdsprachen, Musikinstrumente oder Computerprogramme – auf udemy.com kann man die unterschiedlichsten Dinge online lernen. Fachleute und Uni-Dozenten bieten die Kurse an. Jeder kann seinen eigenen Kurs erstellen. Inzwischen haben sich weltweit bereits rund 19.000 User als Dozenten registriert.
www.udemy.com

Den GARTEN mit Campern teilen

Auf der englischen Website campinmygarden.com bieten User den eigenen Garten als Zeltplatz an. Die Camper können dabei nicht nur nach Des­tinationen suchen, sondern auch nach Events. Angezeigt werden dann private Zeltplätze, die sich in der Nähe des Veranstaltungsortes befinden.

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