Zitrusfrüchte aufgeschnitten
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Transparenz im Trend

von Petra Sodtke
Sonntag, 01.09.2019
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Aber so einfach die Formel »Mehr aus sich herausgehen, mehr Gäste« klingt, so unumgänglich ist etwas Know-how und planvolles Vorgehen, um mit dieser Strategie der Kundenbindung erfolgreich zu sein. HOGAPAGE liefert die besten Praxis-Tipps zum Thema.

Schwarze Wände in Betonoptik, Tische aus hellem Holz als markantes Gegenstück, minimalistisches Design – und eine offene, moderne Edelstahl-Küche als verbindendes Element. »Gastfreundschaft ohne Grenzen, ohne Konvention.« So lautet die Selbstbeschreibung und gleichzeitig das Versprechen auf der Webseite des neuen Wiener Gourmet-Hotspots »[aend]«. Transparenz schafft Vertrauen, weiß Patron und Spitzenkoch Fabian Günzel: »Die offene Küche ist ein absoluter Trend in der Branche. Denn Gäste wollen heute sehen: In diesem Betrieb wird Sauberkeit, Leidenschaft, Hingabe bei der Arbeit gelebt.«

Das Schaffensfeld seiner Köche hat der gebürtige Deutsche daher so in den Gastraum integrieren lassen, dass man von jedem Tisch aus einblicken kann. Das Publikum kann sich persönlich überzeugen: Wer sich derart genau auf die Finger schauen lässt, hat nichts zu verbergen (Stichworte: Hygiene, frische Zutaten). Ein bedeutsamer Faktor für den modernen Kunden, denn Vertrauen schenkt er nicht einfach her. Er legt Wert auf einwandfreie Hintergrund-Infos: Welche Lebensmittel werden mir von wem wie aufgetischt, woher kommen sie? Hinzu kommt eine Prise »Entertainment«, ebenfalls ein wichtiges Zeitgeist-Element: Kochen wird mit einer offenen Küche zum Gemeinschaftserlebnis, zusätzliche Unterhaltungsmomente inklusive.

Warum die offene Küche so ein Gewinn sein kann

Auf enge Tuchfühlung mit dem Publikum geht auch Branchenkollege Kevin Fehling in seinem 3-Sterne-Ausnahmelokal »The Table« in Hamburg . Als einer der maximal 20 Gäste nimmt man hier an der geschwungenen Theke aus edlem Kirschbaumholz Platz (»normale« Tische gibt es nicht) und fühlt sich wie in der Oper in der ersten Reihe. Die Künstler sind die Köche, und die darf man ganz nah und unverhohlen bei ihrer meisterlichen Arbeit beobachten. Und sogar mit ihnen reden.

Die Vorteile der offenen Küche sehen auch andere Unternehmer. Weltweit folgen zahlreiche Betriebe dem Trend. Aber nicht viele sind so erfolgreich wie »The Table« und das »[aend]« (3 Hauben Gault&Millau, 1 Michelin-Stern). Was machen Kevin Fehling und Fabian Günzel also anders, besser? Selbsterklärend, dass Qualität und Optik ihrer Speisen top sind. Beide Geschäfts­männer haben aber auch ein Auge fürs Detail und fürs große Ganze. »Das Gesamtbild des Betriebs muss stimmig sein«, sagt Günzel. Transparenz hat viele Vorteile. Aber eben auch mögliche Nachteile, die meisten lassen sich im Vorfeld ausmerzen. Eine offene Küche kann etwa eine empfindlich hohe Geräuschkulisse erzeugen (sofern das Personal genauso laut arbeitet wie in herkömmlichen Gastro-Küchen üblich). Das vergrault Kunden rasch.

Bauliche Vorkehrungen, Schalldämmung, mit Filzkacheln verhängte Rohre (wie im »The Table«) sind daher gute Investitionen für eine angenehme Akustik im Restaurant. Aber auch der Chef ist gefragt. Günzel: »Ich gebe meinem Team klare Regeln vor, die ich strikt einfordere: Was darf man sehen und hören, was nicht. Laut darf’s nicht sein, wir sind aber auch kein Museum. Ein Töpfe-ineinander-Knallen oder rüder Ton unter Kollegen geht nicht.« Auch beim Thema Sauberkeit ist das Team bestens geschult – jeder Fingergriff erfolgt unter den Augen der Kundschaft, penible Hygiene ist Pflicht. Ein weiterer möglicher Fallstrick: eine zu intensive Geruchsentwicklung. In der traditionellen Gastro-Küche ist eine angebrannte Speise kein großes Problem, in der offenen schon. Geruchsintensive Zubereitungsarten sind ein No-Go.«

Grüß Gott daheim!

Auch in Beherbergungsbetrieben ist Transparenz mit dem Win-win-Tauschhandel »Mehr Vertrauen für mehr Offenheit« ein zukunftsträchtiges Modell. »Das ist genau, wonach sich der Kunde heutzutage sehnt: Echtes, Authentisches, Begegnungen mit Einheimischen auf Augenhöhe«, sagt Interior-Designerin Carmen Dumitrescu (www.archisphere.at). Also hat das Hotel auf lange Sicht – etwa gegenüber dem oft persönlicheren Airbnb-Konzept – ausgedient?

Keinesfalls. Wenn der Hotelier Transparenz auf allen Ebenen seines Unternehmens umzusetzen versteht und es dabei schafft, jene Stärken und Extras, die nur Hotelbetriebe bieten können, zu addieren, kann er die Konkurrenz sogar toppen. Schafft er es dann noch als i-Tüpfelchen, beim Gast mit Geschichten des Hauses emotional anzudocken (das muss keine außergewöhnliche Story sein wie jene des Hotels Adlon in Berlin, es reicht die persönliche Gründergeschichte mit Höhen und Tiefen), ein stimmiges Einrichtungskonzept zu ergänzen und für etwas Unterhaltung zu sorgen – perfekt.

Showcooking Fabian Günzel
Im »[aend]« von Fabian Günzel hat der Gast jederzeit Einblick in das Werken der Küchencrew. Foto: Gerhard Wasserbauer

Wenn Gäste in »Wir«-Form sprechen, ist alles perfekt

Wie das in der Praxis gelingen kann, lässt sich am Beispiel des Johanneshofs in Hockenheim gut nachzeichnen. Ein florierendes Geschäft seit drei Jahrzehnten (Gästehaus, Gasthaus, Hofladen), Stammkunden seit über 20 Jahren – Harald Schlumpp und Partner Johannes Härdle haben alles richtig gemacht. »Wie bei Freunden«, liest man als TripAdvisor-Bewertung. Manche Kunden kommentieren auf der Facebook-Seite des Betriebs sogar in »Wir«-Form, erzählt Harald Schlumpp stolz. Das ist, neben dem wirtschaftlichen Erfolg, wohl das beste Lob für einen Unternehmer: Wenn sich Kunden mit Betrieb oder Marke identifizieren.

Schlumpp: »Wer will, erfährt auf unserer Webseite und von uns persönlich unsere Preis- und Personalpolitik, was wir wie selbst produzieren, was wir uns von welchen regionalen Produzenten und Bauern liefern lassen, warum wir sie ausgewählt haben, unsere Philosophie und weitere betriebliche Entscheidungen. Kunden haben das Recht auf Informa­tion.« Sofern Interesse besteht, nehmen sich die Hausherren auch gern Zeit, um Gäste durch den Betrieb zu führen. Schlumpp: »Viele Leute sind neugierig, wie Logistik und Technik in Betrieben funktioniert. Oft hat man aber Scheu, man will nicht aufdringlich sein. Wir vermitteln unseren Gästen: Fragen ist erwünscht.«

Runde Sache: Von der Offline-zur Online-Transparenz

Dieses offene Verhältnis zur Kundschaft passiert in der unschlagbaren Kombination mit einem weiteren großen, starken Trend: Regionalität/Bio. Schlumpp: »Ob auf dem Gäste-Frühstückstisch, im Hofladen oder im Lokal, wir fokussieren auf Produkte aus der Region.« Wichtig: Kärtchen mit kleinen Geschichten über die Zusammenarbeit und Herkunft der Lebensmittel ergänzen, auf Webseite oder Unternehms-Blog darüber berichten.

Wir leben nicht nur im Zeitalter der Transparenz, sondern auch im Zeitalter der Digitalisierung. Großen Wert legt der Johanneshof daher darauf, den Betrieb nicht nur offline, im echten Leben, transparent zu machen, sondern dasselbe auch online zu gewährleisten – zu Recht, denn das gehört zu einem runden, stimmigen Gesamtkonzept unbedingt dazu (siehe Kasten: Profi-Tipps). Auf der Webseite erfährt der Gast informativ und unterhaltsam, was er über die Geschichte des Betriebs, der Haus­herren, Herkunft und Lebensmittel wissen will (inspirierende Vorlage: www.johanneshof.de/die-wirtschaft/qualitaet/).

Riesenresonanz erhält Schlumpp dabei stets für seine Videos, erzählt er. Gibt es Grenzen der Transparenz? Offenheit macht sympathisch. Allzu Privates sollte dennoch ein Tabu vor dem Kunden sein (z. B. die Scheidungs-Schlammschlacht der Hotel-Direktorin). Außerdem, so Schlumpp: »Gäste spüren schnell, ob jemand authentisch ist oder für Transparenz nur aus Kalkül sorgt. Wer nicht wirklich dahintersteht, sollte es bleiben lassen. Ohne Glaubwürdigkeit geht zuerst das Vertrauen und dann der Kunde verloren.«

Alexander Rus
Foto: Evergreen Media

5 Profi-Tipps von SEO-Experte Alexander Rus

  • Unverzichtbar: Videos (mit Menschen; YouTube einbinden)! Perfekt: mit Blogartikel inkl. Fotos kombinieren. Der potenzielle Gast bekommt schon beim ersten Kontakt mit dem Gastgeber online das Gefühl, ihn und den Betrieb zu kennen.
  • Informative, lehrreiche, unter­haltsame, inspirierende Inhalte schaffen! Welche Infos (über den Betrieb) interessieren meine Kunden?
  • Zur Zielgruppe passende Formate (Text, Bild, Video, Podcast) und Plattformen (YouTube, Instagram, Facebook etc.) wählen! Welche nutzen meine Kunden (Rückschlüsse: Alter, Einkommen, Bildungsgrad)?
  • Laufend in gute Texte, Bilder, Videos investieren! Wer das nicht tut, muss sich Online-Sichtbarkeit künftig immer noch teurer erkaufen.

Noch mehr Profi-Tipps:

www.evergreenmedia.at (Blog, Ratgeber, Nachmach-Videos)

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