Die Milch macht’s – oder was?
iStockphoto

Die Milch macht’s – oder was?

von Gabriele Gugetzer
Montag, 01.01.2018
Artikel teilen: 

Ihnen zu widerstehen, ist für viele Genießer ein Ding der Unmöglichkeit – und auch das Kalorienzählen vergisst man in ihrer Gegenwart ganz schnell: Mehlspeisen sind für die meisten Gäste vernasch­bare Kindheitserinnerungen, für die Küche dagegen eine gut einzupreisende Visitenkarte, die auf handwerkliche Sorgfalt und regionale Verortung hindeutet. Unbestritten hat Österreich wohl das zarteste Händchen, wenn es um Kaiserschmarrn, Buchteln, Germknödel & Co. geht.

Machen Sie Mehlspeisen wie aus Omas Küche!

Die perfekte Kunst, köstliche Mehlspeisen herzustellen, hat auch in der Familie Machreich eine lange Tradition. Mit ihrem Restaurant »Triad« in Niederösterreich mischen Uwe und Veronika Machreich gerade die Foodszene auf, denn sie scheinen entdeckt zu haben, was die nächste große Oper in der Küche wird. Keine nämlich. Statt Trend steht handgemachte, haus­gemachte Kost hoch im Kurs. Old School, würde man in Berlin sagen, von der Frittatensuppe über die Fasanenbrust, vom Backhenderl bis zum Kalbszüngerl – »mit Zutaten, die schon unsere Großmutter verwendet hat« erklärt Uwe Machreich. Und da die Region von Milchwirtschaft und Viehzucht geprägt ist, haben Milchprodukte höchste Priorität. Das Rezept für Buchteln, das jahreszeitlich mit Hollerkoch, Marmelade oder Vanilleeis serviert wird, stammt von seiner Oma. »Ehrlich gekochtes Essen«, sagt Mach­reich, »kommt bei uns sehr gut an.«

Katharina Seiser, eine der bekanntesten Kochbuchautorinnen Österreichs, empfiehlt einen Buchklassiker: „Wiener Süßspeisen“ aus dem Trauner Verlag.

Machen Sie in Joghurt!

Was tun, wenn man in Sterzing ist? Der Ort, an dem alle schnell vorbeifahren, bloß jetzt nicht einen Stau riskieren, immerhin ist man ja auf dem Weg nach Meran …

Nun, in 2018, genauer gesagt vom 7. bis 15. Juli, feiert die einstige Fuggerstadt zum ­20. Mal das Joghurtfest, passend »Alles ­Joghurt« benannt. Im Hotelrestaurant des Parkhotels zum Engel überlegt sich Küchenchef Karl Heinz Brunner ein Joghurtmenü.In diesem Jahr war von Johannisbrot-Tortellini mit Joghurtschaum, Seeteufelmedaillons mit Safran in Joghurtsauce und der klassischen Fruchtterrine mit Joghurt die ganze Bandbreite zwischen regional, altmodisch und modern dabei. Das alles passiert in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Bio-Joghurtmacher, den man auch besuchen kann. Da hat nicht nur das Hotel etwas davon, sondern ganz Sterzing.

Mit Joghurt eine Destination stärken – das böte sich doch auch in Deutschland an! Schließlich sind wir flächendeckend noch nicht von Müller-Milch geprägt.

Machen Sie Milch erwachsen!

Er ist Bar-Chef in Hamburgs höchster Location, dem Bar-Restaurant Clouds. Bastian Knülle mixt 105 Meter über dem Elbniveau Trendgetränke für betuchte Touristen, die nicht mit dem Bus kommen, und für Hanseaten, die die Reeperbahn oder den Ausblick lieben. Milch an der Bar ist für ihn ein wichtiges Thema. »Heutzutage wird immer mehr mit Produkten an der Bar gearbeitet, die sonst nur in Küche oder Patisserie zu finden sind: Gemüse, Kräuter, Bacon … und natürlich Milchprodukte«, erklärt er. ­Knülle hat eine Buttermilch-Margarita kreiert – mit ­Tequila Reposado, Limettensaft, Quittengelee, Agavendicksaft und – klar! – Buttermilch. Oder »Theresas Nutella­glas« – eine ziemliche Sünde mit Nutella, Mozart Chocolate Vodka, Haselnuss­likör, frischer Vollmilch und Sahne. Seinen »Snowball« toppt er mit flambierter Marshmallowcreme und süßem Popcorn.

Machen Sie Ihre süßen Sachen Instagram-chic!

Die Patisserie spielt im gehobenen Segment eine zunehmend wichtige Rolle. Im neu eröffneten Luxushaus Sofitel Frankfurt Opera hat Pierre Hermé einen Pop-up-Store eröffnet. Das Londoner Edelhotel Café Royal will mit seinem entzückenden Windbeutel, gefüllt mit gesalzenem Karamell, gleich den nächsten Trend nach Cronut & Co. setzen. (Londoner sind für Trends ja gut).

Und im Hamburger Nobelviertel am Gänsemarkt hat der gebürtige Amerikaner ­Gabriel Mitchell dem Knabberwerk in süß und pikant gleich einen ganzen Laden gewidmet, der auf den ersten Blick an ein Boudoir und auf den zweiten an einen Pretiosen-Tempel erinnert.

Bei ihm kaufen fast ausschließlich Frauen – kein Wunder, dass jede seiner saisonalen Kreationen einen Damennamen trägt. Auf Butter und Sahne kann er bei den süßen Sachen, die allerdings gar nicht so süß sind, nicht verzichten. Beim Herzhaften greift er, neben Butter, gerne beim Frischkäse zu. Immer erzählen die Kostbarkeiten, oft im Glas angeboten, eine Geschichte. Sein Liebling beispielsweise ist »Maya«, das nur mit Produkten der neuen Welt zwischen Avocado und Mais gemacht wird, aber international aufgerüscht ist. Die Avocado kommt als Bayerische Creme daher, das Maispüree als Panna Cotta, der Pfannkuchen wird mit Macis parfümiert.

Mit dem traditionellen Angebot einer deutschen Konditorei hat das nichts mehr zu tun, besonders Asiatinnen lieben den Laden, und Mitchell, privat zwar selten ein Nutzer von Social Media, weiß sehr genau um den Erfolg, der sich einstellt, wenn 20-jährige Influencer aus Seoul seine Kreationen posten.

Machen Sie’s wie die Schweizer!

Die haben bereits das ultimative milchbasierte Produkt zur Hand. Schweizer Käse ist in der ganzen Welt ein Begriff, fast alle Sorten besitzen einen Herkunftsnachweis und alle entstehen in kleinen lokalen
Käsereien, mit tagesfrischer Schweizer Milch. Da reicht das Angebot einer kleinen Käseplatte, beispielsweise mit Gruyère, Sbrinz oder Appenzeller, damit die Gäste tiefer in die Tasche langen.

Aber der Käse passt auch zum Lieblingsgericht der Schweizer. Nein, das ist nicht das Fondue. Sondern der Apéro. Diese Häppchenkultur, begleitet von Wein, ist eine Mischung aus Geselligkeit und Genuss und businesstalk-tauglich. Die Webseite der Schweizer Milchproduzenten (www.swissmilk.ch/de/alle-rezepte/7391/apero/#item0) bietet einige Hundert Rezepte, die auch vom Küchen-Nachwuchs zuzubereiten sind. Wichtig ist die Größe, nämlich klein, und die Darreichungsform als Finger Food.

Nur bloß nicht mit zu viel Chichi oder fettarm anrichten, das lieben Schweizer gar nicht. Oder in den Worten von Österreichs Patissier 2017, Lukas Schmiderer, gefragt nach seinen Lieblingsprodukten im Bereich Milch: »Sahne, Topfen, Sauerrahm, Butter und Milch … auch gerne Molke, Ziegen­käse und Schafstopfen.«

Der Original-Text aus dem Magazin wurde für die Online-Version evtl. gekürzt bzw. angepasst.

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!