Guter Wein
Foto: Anna Ivanova / The Picture Pantry

Guter Wein bringt gutes Geld

von Wolf Demar
Dienstag, 03.09.2019
Artikel teilen: 

Lange Zeit hieß es, dass man in der gehobenen Gastronomie mit den Speisen kaum Geld verdienen könne. Erst wenn ordentlich Wein getrunken würde, kämen Gastronomen auf ihre Rechnung. Diese Rechnung war ganz einfach. Die simple Formel lautete »Einkaufspreis mal drei« – fertig war die Weinkalkulation. Doch diese Zeiten sind erfreulicherweise vorbei – sowohl aus Sicht der Gäste wie aus der des Sommeliers. Wieso das heute nicht mehr funktioniert, hat mehrere Gründe. Der wichtigste ist wohl das Internet. Früher haben nur wenige Experten genau gewusst, wie viel welcher Wein tatsächlich kostet. Heute sind es nicht nur Weinfreaks, die im Lokal zusätzliche Informationen zum empfohlenen Wein googeln.

Es hat sich aber auch der Weinmarkt selbst geändert. Die Preise für Prestige-Weine sind explodiert. Vor allem Top-flaschen aus Frankreich (Bordeaux, Burgund), Italien und den USA werden zu Preisen gehandelt, die man nur mehr als verrückt bezeichnen kann. Gleichzeitig findet man in Osteuropa mittlerweile wirklich tolle Weine, die deutlich unter 20 Euro im Einkauf kosten.

Einkauf, Verkauf, Cash-Flow

Heute wird fast überall mit Misch-Kalkulationen gearbeitet, bei denen variable Fixaufschläge die Hauptrolle spielen. Wenn es dem Sommelier gelingt, einen köstlichen jungen Weißwein eines Newcomer-Winzers für fünf Euro die Flasche zu ergattern, und er den Wein dann im Lokal für fünf Euro pro Glas verkaufen kann, gibt es nur Gewinner. Der junge Winzer schafft es, durch die prominente Platzierung rasch bekannt zu werden, der Gast ist glücklich, einen tollen Wein zu einem akzeptablen Preis zu bekommen, und der Gastronom hat sogar einen Multiplikationsfaktor von sechs bis sieben erzielt – je nachdem, ob wie in Deutschland üblich 0,1 oder 0,125 in Österreich eingeschenkt wird. Und doch beträgt der Umsatz nur 30 Euro, der Gewinn allerdings 25 Euro. Jeder Weinhändler, der sein Geschäft versteht, hat solche Weine exklusiv im Sortiment, sodass der Preisvergleich mit dem Supermarkt für den Konsumenten nicht möglich ist.

Gelingt es dem Sommelier, eine Flasche, die im Einkauf 20 Euro kostet, für 60 Euro zu verkaufen, beträgt der Multiplikationsfaktor »nur« drei, der Gewinn beträgt jedoch schon 40 Euro. In dieser Preisklasse ist etwas mehr Verkaufsgeschick gefragt, und der Wein muss schon von sich aus für Qualität stehen. Entweder steht die Herkunft für Güte oder der Produzent. Der Drittwein Le Volte dell’Ornellaia fällt genauso in diese Kategorie wie ein günstiger Lagenwein von einem deutschen oder österreichischen Paradewinzer.

Bei wirklichen Premiumweinen verringert sich der Faktor in der Regel noch weiter, obwohl der Gewinn natürlich steigt. Bei einer Flasche, die im Einkauf 120 Euro kostet und für 200 Euro verkauft werden kann, beträgt der Gewinn 80 Euro, obwohl der Faktor unter zwei liegt. In der Regel wissen die Gäste genau, was sie bestellen und wie viel sie für diesen Wein in einem anderen Lokal bereits bezahlt haben.

Eine Frage der Reife

In Zeiten niedriger Zinsen können teure Weine eine überaus attraktive Wertanlage darstellen, weil die jährliche Wertanpassung zumindest bei Top-Etiketten deutlich über dem aktuellen Zinsniveau liegt. Bis zu zehn Prozent Wertzuwachs per annum sind durchaus möglich. Das einzige Problem dabei ist oft die geringe Kapitalausstattung vieler Gastronomen, und auch die meisten Winzer leben nach dem Motto »Unser bester Wein ist der verkaufte (und bezahlte)«. So haben sich in den letzten Jahren einige Weinhändler darauf spezialisiert, Weine einzulagern und ein paar Jahre später am Genusshöhepunkt an die Gastronomie weiterzuverkaufen.
Vor allem Hotelrestaurants, die über eine höhere Kapitalstärke verfügen als alleinstehende Lokale, legen bewusst Weine zurück, um den Gästen bei ausgesuchten Weinen eine Jahrgangstiefe bieten zu können. »Wir haben vergangenes Jahr 60 Flaschen von Hirtz­bergers Grünem Veltliner Honivogl gekauft, von dem wir jetzt im zweiten Jahr die ersten sechs Flaschen ins Verkaufsprogramm aufgenommen haben. Nächstes Jahr kommen dann die nächsten zwölf Flaschen ins Sortiment, und danach werden wir sehen, wie sich diese Weine entwickeln, und erst dann entscheiden, wie viele Flaschen wir für einen noch späteren Zeitpunkt zurückbehalten wollen«, erklärt Michael Bauer, Sommelier im Burghotel Vital in Oberlech (Vorarlberg).

Glasweises Angebot entscheidet

Bei solchen Top-Häusern geht es natürlich auch darum, einige Luxusetiketten im Keller zu haben. Für die tägliche Arbeit greift Bauer jedoch zu wesentlich günstigeren Flaschen, oft auch aus unbekannten Regionen. »Wir haben ein sehr weinaffines Publikum, das schon vieles kennt. Bei der glasweisen Weinbegleitung in der Griggeler Stuba will ich meine Gäste – natürlich immer nur positiv – überraschen. Zu einem Gericht gibt es ja nie nur ein richtiges Weinpairing, sondern stets mehrere Möglichkeiten. Dank des praktischen Coravin-Systems kann ich den Gästen auch richtige Raritäten anbieten, wenn das gewünscht ist«, so Bauer.

Das Coravin-System hat den glasweisen Weinverkauf in der Top-Gastronomie nachhaltig revolutioniert. Dabei wird der Korken in der Flasche belassen. Mit einer dünnen Nadel wird durch den Korken gestochen und der Wein wie mit einer Spritze entnommen. Gleichzeitig wird Stickstoff in die Flasche geblasen, sodass der verbliebene Wein nicht oxidieren kann. So umfasst das glasweise Weinangebot im Münchner Tantris solche Raritäten wie einen 2011er Chevalier-Montrachet Grand Cru von Vincent Girardin oder einen 1989er Château Latour beziehungsweise einen Château d’Yquem aus dem gleichen Jahr. Dafür werden zwar zwischen 130 und 300 Euro pro Glas (0,1 L) fällig, trotzdem sind solche Angebote für neugierige Weinfreaks höchst interessant.

Die Sache mit dem Fisch
Foto: iStockphoto

Passender Köder für jeden Fisch

Die Zusammenstellung einer attraktiven Weinkarte, mit der man die Bedürfnisse aller Gäste befriedigt und gleichzeitig Weinfreunde begeistert, ist eine hohe Kunst. Abgesehen vom passenden Preisniveau muss auch das Storytelling stimmig sein. Dass man beim Italiener Vino rosso aus der Toskana leichter verkauft als Tintos aus Rioja, liegt auf der Hand. Man kann sich aber auch mit Weinen aus der Region, dem trendigen Naturwein-Thema oder persönlichen Vorlieben ein Profil geben. Die Möglichkeiten dabei sind schier endlos, nur sollte es nicht beliebig sein. Wenn der Wirt regelmäßig Argentinien besucht, wird er seinen Gästen auch Weine aus Südamerika verkaufen können. Kommt die Schwiegertochter aus Kroatien, wird man sich mit der Präsentation istrischer Weine leicht tun.

Egal welche Geschichte man wählt, sie sollte dem Gast auf sympathische Weise vermitteln, dass man sich hier mit Freude um den Wein bemüht. Wer das Gleiche anbietet wie die Bars von austauschbaren Business-Hotels, darf sich nicht wundern, wenn Gäste anfangen, über die Preise zu diskutieren. Natürlich braucht jedes Bistro oder einfaches Wirtshaus einen günstigen, unkomplizierten und dennoch guten Hauswein. Etwa, wenn Gäste sich nicht näher mit dem Weinthema beschäftigen wollen und »einfach« nur ein Glas Weiß- oder Rotwein bestellen. Man soll seine Gäste nie überfordern oder – was leider auch manchmal passiert – belehren. Ein wirklich guter Sommelier agiert als Genussberater und nicht als Oberlehrer.

Geschichten erzählen, Neugierde wecken

Wie kaum ein anderes Thema eignet sich Wein zum Geschichtenerzählen, mit denen man Emotionen wecken kann. Mit einem verlässlich guten, schlussendlich jedoch weltweit ver­fügbaren Wein wie etwa Cloudy Bay aus Neuseeland wird es kaum gelingen, die Herzen eines Weinfreundes höher schlagen zu lassen. Mit einem raren Pinot noir von einem kleinen Winzer aus Südmähren, einem trockenen Furmint aus dem Tokaj oder einem mineralischen Weißwein aus Teneriffa ist das viel einfacher. Seit vergangenem Jahr stößt man in Weinlokalen auch relativ oft auf gereifte Rioja blancos. Da sie weniger als zehn Prozent der Weinproduktion in Rioja ausmachen, sind die Weine aus der Viura-Traube eher unbekannt. Mit ihrem nussigen Aroma und einer leicht oxidativen Note unterscheiden sie sich deutlich von Weinen aus Deutschland und Österreich. Und weil der Einkaufspreis oft schon unter zehn Euro beginnt und selten über 20 Euro hinausgeht, sind es perfekte Gastro-Weine.

Steigender Beliebtheit erfreuen sich seit ein paar Jahren auch Aligotés aus dem Burgund. Klassifizierte Chardonnays aus guten Lagen sind für die Gastronomie aufgrund der laufend steigenden Preise fast nicht mehr zu kalkulieren. Die lange gering geschätzte zweite Rebsorte Aligoté bringt zwar nicht ganz so elegante Burgunder hervor, in der Stilistik sind sie jedoch ähnlich – und sie ermöglichen es dem Sommelier, eine gute Geschichte zu erzählen.

Sogenannte Orange-Wines haben die Weinwelt gespalten. Es gibt richtige Fans, die nichts anderes mehr wollen, gleichzeitig stoßen sie auch regelmäßig auf Ablehnung. Dennoch sollte jede ambitionierte Weinkarte ein paar dieser Weine führen. Sie helfen Sommeliers dabei, neugierige Gäste zu überraschen und mitunter sogar zu begeistern. »Haben wir nicht, mögen wir nicht«, ist eine Antwort, die nicht alle Gäste hören wollen.

Aufwertung durch Inszenierung

Manche Leute machen sich über das Getue von Wine­snobs lustig. Sommeliers, die mit einem Tastevin an der Halskette durch ihr Lokal stolzieren, gibt es schon lange nicht mehr. Doch mit einer passenden Inszenierung kann man den Genuss einfach steigern. Man denke an das Thema Karaffen und Dekantieren. Heute wird zwar in der Gastronomie weniger dekantiert als früher. Bei manchen Weinen macht das aber durchaus Sinn – sogar bei Weißweinen und manchen Champagnern. Und auch Orange-Wines gewinnen oft durchs Dekantieren an Finesse.

Ein begnadeter Sommelier hat in einer vertraulichen Stunde seine Rolle einmal wie folgt umschrieben: »Wenn ich die Gäste dazu bringe, mehr Geld für Wein auszugeben, als sie ursprünglich vorgehabt haben, und sie trotzdem glücklich nach Hause gehen und sich für die exzellente Beratung bedanken, habe ich meinen Job richtig gemacht.« Recht hat er.

Weinkarten-Check

Wer seinen Gästen eine optimale Weinauswahl bieten und seinen Weinumsatz steigern möchte, der kann jetzt seine Weinkarte kostenlos vom Deutschen Weininstitut (DWI) prüfen lassen. Die Teilnahme ist einfach, unverbindlich und kostenfrei. Und es ist egal, ob die Karte zwei, zwanzig oder zweihundert Posten aufweist. Zur Teilnahme einfach die Speisenkarte und Getränkekarte mit dem Betreff »Kartencheck« per E-Mail an: Andreas.Kaul@deutscheweine.de schicken. Das DWI meldet sich dann, um mehr über den Betrieb zu erfahren (Lage, Umfeld, Personalstruktur). Das DWI analysiert diese Angaben und bietet dann gezielte Optimierungsvorschläge hinsichtlich Sortimentsgestaltung, Kalkulation etc. Es entstehen keine Kosten, der Kartencheck ist eine Serviceleistung der deutschen Weinwirtschaft.

Info: www.deutscheweine.de/intern/gastroportal/dwi-kartencheck

Nicht verwässert

Eine Flasche Wasser zu einer Flasche Wein zu bestellen, ist für die meisten Gäste heute eine Selbstverständlichkeit. Doch Trinkwasser ist nur in der Theorie reines H2O, in der Praxis sind Salze, Minerale und andere Produkte oder sogar Verunreinigungen darin gelöst, was durchaus den Unterschied machen kann, ob ein bestimmtes Wasser mit einem Wein harmoniert oder nicht. Julia Nordhaus, Senior Brand Manager S.Pellegrino & Acqua Panna, rät daher: »Es spielt eine wichtige Rolle, das passende Mineralwasser zu Wein zu wählen. Denn unmittelbar nach einem Wein getrunken, können Mineralstoffe, Textur und Säure des Mineralwassers die Wahrnehmung und den Genuss des Weins beeinflussen. Deshalb sollte zum Wein hochwertiges Mineralwasser serviert werden. Als Grundregel gilt jedenfalls: Wasser und Wein müssen harmonieren. Kein Geschmack darf den anderen dominieren oder gar überdecken.« Ein gutes Mineralwasser kann also Wein optimal in Szene setzen. Das richtige Pairing ist daher ein starker Umsatzbringer, den jeder Gastronom für sich nutzen kann.

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!