Wie süß ist das denn?
Foto: Melanie Braun

Wie süß ist das denn?

Heiße und kalte Desserts, die für glückliche Gäste sorgen

von Gabriele Gugetzer
Mittwoch, 18.03.2020
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Sebastian Kraus vom PURS ist der aktuelle Patissier des Jahres. Auf einem solchen Level erwarten die Gäste wohl das ultimative Erlebnis? Mit Einschränkung. »Manche Gäste kann man mit Kreationen herausfordern, andere suchen im Dessert nicht den Nervenkitzel.« Nachdem Trends gerade durchgenudelt scheinen, sind es andere Aspekte, die die Dessertkarte des kommenden Sommers prägen.

Sebastian Kraus
Tipp von Deutschlands
bestem Patissier Sebastian
Kraus: Immer ein boden-
ständiges und ein experi-
mentierfreudiges Dessert
auf der Karte haben.
Foto: Andreas Conrad

Was macht ein perfektes Dessert aus?

Für Sebastian Kraus ist das Dessert der »krönende Abschluss eines perfekten Essens«. Er zaubert im Zweisterner, da ist das nachvollziehbar, könnte man annehmen. Auch die Aussage, dass er sich kaum beeinflussen lässt, sondern »nach einzelnen Komponenten sucht, die mich ansprechen«, überrascht nicht, ist sein Nebenjob als Bester Patissier des Jahres ja der des Ideengebers. Aber selbst wenn Kraus’sche Kreationen in ihrer Schönheit etwas Außerirdisches haben, prägt sie auch eine gewisse Bodenständigkeit. Das Dessert nämlich, das nie von der Karte darf, ist ein Sauerteigeis. Wen wundert’s, dass Kraus von Trends wenig hält. »Die kommen und gehen, wenn man sie erkannt hat, ist es meistens schon zu spät«, bringt er die Nachteile des Trendhoppings à la Berlin und London philosophisch auf den Punkt. Er setzt nicht auf hip, sondern auf Handwerk, und scheut sich auch nicht, als würde er für den Valentinstag Werbung machen, das Wort Liebe im Zusammenhang mit der Herstellung zu erwähnen. Sein persönlicher Liebling: Pistazieneis. Von diesem Aroma zum Schluss noch mehr.

Unilever Deutschland
Carte D´Or Himbeer-Sorbet: mit feinen Fruchtstückchen verfeinert.
Foto: Unilever Deutschland

Was gibt’s Neues in der Schweiz?

Andy Vorbusch vom frisch restaurierten Memories im Grand Resort Bad Ragaz setzt auf ein Trendprodukt, das eigentlich schon in der Mitte der Gesellschaft, wie Politiker es formulieren würden, angekommen ist: die Süßkartoffel. Drei Zutaten braucht er: Reismilch, auf Salz gegarte Süßkartoffel, wenig Zucker. Letzteren, erklärt Vorbusch, benötigt man eigentlich eher, »damit das Eis im gefrorenen Zustand die richtige Konsistenz erhält und beibehält«. Dazu serviert er einen Cracker mit geräucherter Paprika und für eine leichte Säure einen Quittensud. Außer Schokolade wäre damit eigentlich alles abgehakt, was vielen Gästen schmeckt, und dennoch ist es in der Kombination wirklich neu. Da die Süßkartoffel neben ihrer unverwechselbaren Aromatik eine natürliche Süße besitzt, die sich für den Dessertbereich empfiehlt, dürfte das auch jenseits des Schweizer High-Class-Umfelds funktionieren.

Interessanterweise findet sich weder im Memories noch im Verve by Sven, dem zweiten Restaurant des Grand Resorts Bad Ragaz, ein Käsewagen. »Dieser würde sich nicht nahtlos in unser Konzept fügen, einzelne Produzenten und Produkte in den Vordergrund zu stellen.« Lieber setzt er Käse pointiert ein, entweder als Zutat (milder Frischkäse) oder in reinen Dessertmenüs. »Da geben Käseprodukte das Umami/Salz-Aroma, das der Gast irgendwann sucht, besonders geeignet sind salzige Käsesorten.«

Yoshiko Sato
Die gelernte Konditorin Yoshiko Sato ist Chef-Patissière bei der
Roche AG im Fine Dining Panorama Restaurant.
Foto: Melanie Bauer

Österreich und die Welt auf einer Karte

Mario Lohninger gibt’s schon, wenn nicht, müsste man ihn sich, um im Duktus dieses Artikels zu bleiben, backen. Der gebürtige Saalfelder hat sich die großen Sporen in USA verdient und kocht jetzt in Frankfurt in dem wohl schönsten und gemütlichsten Wohnzimmer der Stadt, unter zurückhaltendem Stuck und mit einer Speisekarte, für die sich nur ein altmodisches Wort findet: lecker. Er fährt zweigleisig, ohne dass daraus ein Crossover-Kuddelmuddel wird: Lohninger macht einerseits österreichische Küche mit nostalgischem Wohlfühlaroma und geht andererseits gekonnt in der Welt spazieren. Nach Stationen bei den Obauers und im Tantris, in Paris, querbeet in Kalifornien und in Asien ist das vielleicht zu erwarten. Aber vielleicht darf eine Persönlichkeit wie er (endlich mal?) auch die Frage in den Ring werfen, wie zukunftsweisend regional ist.

»Die Süßkartoffel besitzt neben ihrer unverwechselbaren Aromatik eine natürliche Süße, die sich für den Dessertbereich anbietet.«

Andy Vorbusch, Memories

Er findet das alles endenwollend und hat seinen Mix aus traditionell und international auch deshalb entwickelt. »Es hat mir schon immer Spaß gemacht, den Leuten etwas für sie Ungewöhnliches aus meiner Heimat zu bieten, denn die hat kulinarisch so viel zu geben.« Ungewöhnlich ja, spielerisch auch, was sich allein an den Dessertnamen wie Frivoler Mozart beweisen lässt. Auch hier die Frage, welches Gericht auf keinen Fall von der Karte darf? »Es gibt Gäste, die kommen nur für meinen Kaiserschmarrn.« Die guten alten Dinge sind also weiterhin gefragt. Und auch bei Schokolade, bestätigt er, zeige das Gästeinteresse keinerlei Ermüdungserscheinungen, da ist es völlig egal, was draußen für ein Wetter herrscht.

Wirtshausdesserts mit Show­effekten

Wie Mario Lohninger kommt auch Lukas Ziesel aus Saalfelden. Er führt das einzige Haubenrestaurant des Orts und hat ein beneidenswertes Standing; Reservierungen haben im Schnitt 14 Tage Vorlauf. Natürlich ist auch seine Küche österreichisch geprägt, aber da er klassisch französisch ausgebildet ist, ist diese Aromatik in der Völlerei der wichtigste Einfluss. Die Produzentenherkunft ist wichtig, neben der Regionalität spielt das Saisonale rein, bodenständig ist die Karte auch ... da könnte man kurz ins Gähnen kommen, aber nein. »Wir sind irgendwie anders. Eigentlich kochen wir klassische Wirtshauskost, aber mit ein paar Raffinessen interpretieren wir die Gerichte neu«, erklärt Lukas Ziesel das Konzept des Hauses. Der Milchreis wird mit Risottoreis und weißer Schokolade gemacht. Die Mohnnudeln haben einen französischen Zungenschlag. Und der Schokoladenkuchen auf Valrhona-Basis mit einer hauchdünnen Schokoladenkugel, die beim Übergießen schmilzt, der gibt der zweimonatlich neu gestalteten Dessertkarte das gewisse Drama ... Baby!

Seinen Milchreis, den Gäste auch im Sommer bestellen, macht Lukas Ziesel mit Risottoreis und verfeinert ihn mit weißer Schokolade.

Lukas Ziesel

Was ist eigentlich mit Reis?

Reis mal ganz neu oder ganz klassisch denken, das wäre vielleicht ein Ansatz, der kein Potenzial zur Trendhysterie hat. Milchreis in Saalfelden, Reismehl in der Schweizer Topgastronomie und Reis bei Yoshiko Sato. Die gelernte Konditorin hat bei Christian Bau und im Dolder gekocht und ist jetzt (Achtung: Neidfaktor) bei der Roche AG Chef-Patissière im Fine Dining Panorama Restaurant, wo sie für die Mitarbeiter kocht. Sie liebt Reis – »der ist für mich Heimat und gleichzeitig vielfältig einsetzbar«. Im Sommer denkt auch sie an Milchreis, den sie mit Erdbeeren und Zitronenmelisse serviert. Aber sie verarbeitet nebenbei andere Reissorten, macht aus Jasminreis eine Eiscreme mit Mango und Zitronengras und denkt mit Klebreismehl die Schwarzwälder Kirschtorte neu, nämlich im japanischen Häppchenformat, den Mochi (motschi ausgesprochen). »Saisonal, weltoffen, zeitgemäß« sei ihr Küchenstil; auch bei ihr also keine Rede von regional.

Melanie Bauer
Foto: Melanie Bauer

Und wie sieht es mit Apfel aus?

Vielleicht braucht’s den Blick von außen, den Yoshiko Sato (Vize-Patissier des Jahres 2017) auf unsere Produkte hat. Apfel sei die wichtigste Frucht in Deutschland, legt sie uns noch mal ans Herz, und das ist auch, was sie lockt, ihn beispielsweise als Kompott, Chip, eingelegt zu Litschi und Milch oder als elegantes Sorbet in der Kombination mit Rotem Shiso, Reis und Chiboust-Creme zuzubereiten.

Was gibt es Neues in der Convenience?

Nur leider kann sich nicht jeder einen Patissier leisten oder finden. Mario Lohninger setzt beispielsweise für diesen Posten auf jemanden aus dem Team, den er dafür aufbaut. »Wir entwickeln die Desserts gemeinsam, ich segne die Entscheidung am Ende ab«, beschreibt er diesen Prozess. In der Convenience ist in diesem Sommer zwischen Sorbet, Exotik und Erfrischung viel Spannendes dabei.

FrieslandCampina
Mit der flüssigen Dessertbasis Panna Cotta von Debic lassen
sich im Handumdrehen köstliche Dessert-Kreationen zaubern.
Foto: FrieslandCampina

Sorbets: Perfekt für die Außen­gastronomie

Beim Lohninger steht in der warmen Jahreszeit – passenderweise hat er eine kleine Außenterrasse – Traubensorbet auf der Karte. Yoshiko Sato schätzt Apfelsorbet. Carte D’Or hat die Sorbet-Thematik neu interpretiert und setzt hier einerseits auf sichtbare Qualität wie bei Carte d’Or Aprikose mit Aprikosenstückchen und andererseits aufs Verfeinerungspotenzial. Die neue Sorte Himbeere empfiehlt sich zu einer Brûlée mit Pfirsich, das »supercremige« Kokos-Blaubeer-Sorbet (natürlich vegan) ist mit glasierten Möhren und Passionsfrucht schon auf dem Weg in die gehobene Eis-Gastronomie. Auch der in Mailand produzierende bindi hat sich den Sorbets verschrieben und die besonders Begehrten (Mango, Mirtillo, Ananas) in der Rezeptur noch mal verfeinert und künstliche Aromen herausgefiltert. Die Sorbets sind cremig und gut zu portionieren. Auch bei den Flutes – Stichwort: wiederverwendbare Gläser – gibt es einen Neuzugang: das fertig gestrudelte Mangoeis mit Passionsfrucht.

Der Sommer wird cremig

Bei frischli ebenso wie bei Dr. Oetker soll’s moussig werden. Dr. Oetker geht mit einer Mousse Pink Grapefruit (Achtung: nur bis Ende August) und einer Mousse au Café an den Start. Beide lassen sich im Gläschen, als Klacks obendrauf auf einem fertigen Dessertteller, mit Obst oder einfach so servieren. Die Zubereitung ist für Milch gedacht, klappt aber bei der Grapefruit auch mit einem Joghurtanteil.

Carte D'Or
Carte D´Or präsentiert den Crunchy Apple Trifle mit Vanille.
Foto: Unilever Deutschland

Die Zeichen stehen auf Erfrischung

Bei Debic haben sich die Culinary Advisors auf das Thema Frische konzentriert. Brand Manager Niklas Friedrich von Debic erklärt zwei Ideen für großes Kino auf dem Teller, eine Panna cotta mit Himbeeren, roter Bete und dem Frischekick Thai-Basilikum und Pistazie oder eine Crème Caramel mit einer Gazpacho aus säuerlichem Granny Smith. Die Grundprodukte liefert Debic, ebenso das How-To mit einer saisonalen Broschüre. Eine Ricottatorte – Italien lässt grüßen – bietet bindi. Pistazien sind der USP dabei, sowohl als Creme wie auch als Randgarnierung.

bindis TiramisU ohne Kaffee: Als Einzeltörtchen mit Heidelbeeren und Johannisbeeren, Mascarpone und Löffelbiskuit machen sie Büfetts chic.

Froneri Schöller hat ebenfalls den süßsauren Frischekick als Sommerthema ausgelobt. Die Himbeer-Skyr-Torte oder die Zitronen-Buttermilch-Torte (beide von Schöller Backwaren) sind tiefgefroren und bereits vorportioniert. Auch bei der Buttermilchtorte, die das Unternehmen als Torte des Jahres sieht, geben gehackte Pistazien ein edles Finish. Der amerikanische Klassiker Lemon Cheesecake stand bei Froneri Schöller Pate für ein Eis; fruchtige Zitronensauce und helle Gebäckstückchen. Lässt sich übrigens super ausgarnieren: Frank Scholz, Leiter des Gastro Service Teams, denkt an ein Fruity BBQ mit gegrillten Früchten oder sogar an einen exotischen Zwischengang und hat noch weitere Inszenierungsideen im Köcher.

Wissenswertes zur Pistazie

Pistazie ist in diesem Sommer als Deko-Zutat in vielen Convenience-Produkten zu finden, liefert eine wunderbare Creme und ein feines Eis. Auch die Inhaltsstoffe sind gut: Sie enthält wesentlich mehr Carotinoide (Antioxidans) als andere Nüsse, fast 20 % Eiweiß und eine gute Bandbreite an Mineralstoffen wie Vitamin E und Pro-Vitamin A, das B-Vitamin Folsäure, überdies Kalium und Eisen. Dennoch ist das Thema Allergie in der Gastronomie gekommen, um zu bleiben. Die Pistazie ist eng mit der hochallergenen Cashew verwandt, sodass eine Cashewallergie höchstwahrscheinlich auch eine Pistazienallergie mit sich bringt, auch wenn Letztere nicht unbedingt solche Auswirkungen hat. Beide sind keine Nüsse im herkömmlichen Sinne, sondern Steinfrüchte, weshalb Cashewallergiker nicht automatisch allergisch auf Walnüsse oder Mandeln reagieren.

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