Arbeit auf Abruf – muss die wöchentliche Arbeitszeit festgelegt sein?
Foto: ilkercelik via Getty Images

Arbeit auf Abruf – muss die wöchentliche Arbeitszeit festgelegt sein?

Recht so? Expertenkolumne, was Unternehmen jetzt wissen müssen!

von Kristina Harrer-Kouliev/Alexandra Schmidt
Dienstag, 13.02.2024
Artikel teilen: 

Eine Abweichung von dieser kommt nur ausnahmsweise in Betracht, so hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor Kurzem in einem für Arbeitgeber überraschend positiven Urteil entschieden (BAG, 18.10.2023, Az. 5 AZR 22/23).

Der Sachverhalt

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall war die Klägerin bei einem Unternehmen der Druckindustrie ohne geregelte Arbeitszeiten beschäftigt. Die Klägerin war in den vergangenen Jahren stets nach Bedarf zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichem Umfang vom Arbeitgeber eingesetzt worden. Im Jahr 2020 musste sie deutlich weniger arbeiten als in den Vorjahren. Sie erhielt daher im Jahr 2020 auch weniger Lohn. Die Klägerin war der Auffassung, sie müsse auch im Jahr 2020 genauso viel Lohn wie in den Jahren davor erhalten. Sie verklagte daher ihren Arbeitgeber zur Nachzahlung der Lohndifferenz.  

Sie begründete die Klage damit, dass sie in den Jahren 2017 bis 2019 im Durchschnitt 103,2 Stunden monatlich gearbeitet hatte. Diese durchschnittliche Arbeitszeit sei daher stillschweigend vereinbart worden. Daher habe sie auch im Jahr 2020 Anspruch auf die die Vergütung von 103,2 Stunden monatlich, da sie ihre Arbeit zu jeder Zeit angeboten habe und der Arbeitgeber diese jederzeit hätte abrufen können.

Entscheidung des BAG

Das BAG gab der Klägerin nicht Recht: Laut BAG gäbe es keinerlei Gründe, weshalb man von der Vermutungsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG abweichen sollte. Da eine wöchentliche Arbeitszeit nicht ausdrücklich vereinbart wurde, werde nach § 12 TzBfG vermutet, dass 20 Stunden als vereinbart gelten. Um von einer hiervon abweichenden Vereinbarung auszugehen, müssten objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt hätten. Dafür habe die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen. Auch das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und anscheinend willkürlichen Zeitraum 
reiche nicht aus.

Bedeutung für die Praxis:

Wird im Arbeitsvertrag keine Arbeitszeit geregelt, so wird automatisch von einer 20-Stunden-Woche ausgegangen. Diese gesetzlich vermuteten 20 Stunden werden auch nicht dadurch widerlegt, dass ein Arbeitnehmer über einen längeren Zeitraum deutlich mehr oder weniger als 20 Stunden arbeitet. Um etwaige bestehende Unsicherheiten zu beseitigen, empfiehlt es sich dennoch, eine wöchentliche Arbeitszeit arbeitsvertraglich zu vereinbaren. Dies kann zum Beispiel auch in Form einer Mindestarbeitszeit erfolgen.


Kristina Harrer-Kouliev (l.) und Alexandra Schmidt (r.)
Kristina Harrer-Kouliev (l.) und Alexandra Schmidt (r.)
Foto: BdS

Die Autorinnen

Kristina Harrer-Kouliev

Kristina Harrer-Kouliev ist Fach­anwältin für Arbeitsrecht, Leiterin der Rechtsabteilung des BdS sowie ehrenamtliche Richterin am Arbeitsgericht in Berlin. Ihr Jurastudium hat sie an der Eberhard-Karls-Universität in Tübingen absolviert.

Alexandra Schmidt

Alexandra Schmidt ist seit Januar 2023 als Syndikusrechtsanwältin und Referentin beim Bundesverband der Systemgastronomie in München tätig. Sie studierte Jura an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München

Weitere Artikel aus der Rubrik Karriere & Ratgeber

Artikel teilen:
Überzeugt? Dann holen Sie sich das HOGAPAGE Magazin nach Hause!