Quo vadis, digitale Speisekarte
Foto: Resmio

Quo vadis, digitale Speisekarte?

Wie die digitale Lösung der Branche unter die Arme greift

von Daniela Müller
Dienstag, 08.03.2022
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Einmal kurz den QR-Code auf dem Tisch oder dem Aufsteller scannen – zack, erscheint das komplette Speiseangebot eines Lokals auf dem Smartphone oder Tablet. Statt Seiten umzublättern, wird gescrollt und geklickt. Digitale Speisekarten, die auch eine automatisierte Bestellfunktion und zukünftig noch einiges mehr ermöglichen, erobern Schritt für Schritt das Gastgewerbe. Ihre Karriere hat gerade erst begonnen!

Christian Bauer
Foto: Resmio

»Die Anfragen an unsere Systeme haben sich seit der Pandemie verdoppelt«, sagt Christian Bauer, CEO des Anbieters von Reservierungs- und Managementsystemen Resmio. Die Nachfrage nach seinen Produkten steigt, auch weil die seit nunmehr zwei Jahren andauernde Corona-Situation die Digitalisierung von Restaurants insgesamt vorangetrieben hat. Wegen der Hygiene-Auflagen mussten selbst Gastronomen, die der Modernität gegenüber sonst eher weniger aufgeschlossen sind, »digital umdenken«, um den Vorgaben gerecht zu werden. Und um das Personal nicht rund um die Uhr mit dem Desinfizieren von Speisekarten zu beschäftigen.

Die Anfragen an unsere Systeme haben sich seit der Pandemie verdoppelt

Christian Bauer, CEO von Resmio

Durchbruch durch Pandemie

Reiner Zufall war es, dass Bauer sein digitales Speisekartenkonzept sechs Wochen vor dem ersten Lockdown 2020 launchte. »Vor Corona gab es zwei Arten von Gastronomien. Die einen haben neben dem Restaurantbetrieb ausgeliefert und ein To-go-Geschäft angeboten, die anderen haben maximal hin und wieder eine Speise in Folie gepackt.« 

Auf Letztere ist Resmio wie viele andere Anbieter von digitalen Lösungen zugegangen, hat sie animiert, ihr Liefergeschäft, wenigstens jedoch ein Abholgeschäft zu starten oder zu intensivieren. Nach dem Motto: Bevor der Koch gar nichts zu tun hat, weil keine Gäste empfangen werden dürfen, liegt die Lösung genau darin, um den Betrieb am Leben zu halten – was wiederum nur mit der digitalen Variante eines Speiseangebots funktionierte. 

Computer und Smartphone
Foto: Resmio

Digitale Karten können mehr

Siehe da: Das Abholgeschäft lief bei vielen erfolgreich weiter. Es entpuppte sich als mehr als nur eine Notlösung. »Die Gastronomen erkennen den Nutzen der digitalen Speisekarte«, sagt Bauer. Das kann Softwareentwickler Clemens Wehner, der »Menury« auf den Markt brachte, bestätigen: »Die QR-Codes sind für mehr da, als nur Hygieneauflagen nachzukommen, haben darüber hinaus einen enormen Mehrwert.«

Die Grundstimmung gegenüber digitalen Abhol- und Bestelllösungen sei aber nicht flächendeckend positiv gewesen, erinnert sich Bauer zurück. Einschlägige Lieferplattformen lassen sich technische Infrastruktur und Reichweite mit hohen Provisionen von teils bis zu 30 Prozent teuer bezahlen, deshalb gab es bei einigen Gastronomen Furcht vor weiteren hohen Kosten.

Vorteile der digitalen Speisekarte

  • Specials im Angebot, Gerichte ausverkauft? Digitale Karten können Veränderungen sofort erfassen und kommunizieren 
  • Hygienischer, weil Gäste ihr Smartphone nutzen anstatt einer Karte 
  • Zeitersparnis für das Personal: Keine Reinigung der Karten, auch das Bringen und Einsammeln der Karten fällt weg. Fortschrittliche Systeme ersetzen auch die Bestellung durch Servicekräfte und den Bezahlvorgang
  • Übersichtliche Darstellung von Details, z. B. von Allergenen
  • Kosten und Aufwand für die Gestaltung und Produktion der Speisekarten fallen weg
  • Fehler können leichter behoben werden als bei Printprodukten

Variable Abrechnungsmodelle

Es hat teilweise eine Menge Überzeugungsarbeit gebraucht, um die Ängste zu entkräften. Der Resmio-Service wurde, wie viele andere, einige Zeit kostenlos zur Verfügung gestellt – und wird es zumindest in Basic-Ausführungen immer noch. Das Geschäftsmodell des Unternehmens basiert auf verschiedenen Abrechnungsmöglichkeiten, es gibt die Tarife Basic, Premium und Ultimate. Unabhängig von der Wahl wird eine kleine Provision auf Online-Bestellungen erhoben.

Bei üppiger ausgestatteten Varianten können verschiedene Add-ons hinzugebucht werden wie eine Reservierungs-, eine iPad-App und mehr. Optional kann bei den Premium- und Ultimate-Paketen eine »Bestell-Flat« zu einem monatlichen Fixpreis gebucht werden. Dann entfallen Gebühren auf vermittelte Online-Bestellungen. 

Bestell- und Bezahlvorgänge fallen weg

Die digitale Speisekarte erscheint auf Google, was wichtig ist, um vor allem von jungen Gästen wahrgenommen zu werden. Das an die digitale Speisekarte gekoppelte Bestellsystem deckt drei Einsatzszenarien ab: die Abholung vor Ort, die Lieferung und die Bestellung am Tisch. Kunden können das System flexibel für ihre Bedürfnisse konfigurieren. Wichtige Stellschrauben wie der Mindestbestellwert, Liefergebiete, Vorlaufzeiten und die digitale Trinkgeld-Zahlung passt man über das System an. 

Das ist zum Beispiel für Biergärten interessant. Hat der Wirt wenig Personal zur Verfügung, sei dies eine enorme Erleichterung. Der Bestellprozess wird durch die digitale Speisekarte komplett abgenommen, sogar das klassische Bezahlen kann auf diese Weise durch ein digitales Prozedere ersetzt werden. »Ich kenne Gastronomen, die richtig gutes Geld verdient haben, seit sie digitale Speisekarten eingeführt haben«, sagt Bauer. 

Schnelle Reaktionszeiten 

Die Vorteile einer digitalen Speisekarte gegenüber einer herkömmlichen zeigen sich in der Aktualität und Flexibilität. Beispiel Mittagskarte: Bei altmodischen Speisekarten müssen täglich Blätter ausgetauscht werden, meist auf miserabel kopiertem Papier, das sieht nicht selten schlampig und nicht besonders zeitgemäß aus. Bei der digitalen Karte ist nur ein Schritt erforderlich, um allen Karten ein Update zu verpassen. »Wie oft ist man schon auf ein veraltetes Silvestermenü gestoßen, wenn man in einer Speisekarte geblättert hat?«, sagt Bauer. Solche Eindrücke vermitteln Gästen das Gefühl, dass es um die Qualität des Lokals und seiner Küche vielleicht ebenfalls nicht so optimal bestellt sein könnte. Die digitale Speisekarte sei schlicht notwendig, um nach außen einen ordentlichen, informativen Auftritt darstellen zu können, findet Bauer. »Wer heutzutage nicht digital aufgestellt ist, der existiert praktisch nicht, zumindest nicht für Leute, die jünger als 35 sind.« 

Herkömmliche Speisekarte wird nicht aussterben

»Es gibt unheimliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten für digitale Speisekarten«, weiß Clemens Wehner. »Es ist nicht die Aufgabe der digitalen Speisekarte, die klassische zu ersetzen. Ich bin der Meinung, dass sie die analoge ergänzen sollte.« Zu oft werde derzeit noch ein PDF hinterlegt, ein Eins-zu-eins-Abbild der physischen Speisekarte. »Dabei bietet die Digitalvariante so viele Möglichkeiten, um dem Gast ein benutzerfreundliches, informatives Erlebnis zu bieten.«

Tablet mit Speisen drauf
Foto: Menury

Änderungen selbst vornehmen

»Wer eine digitale Speisekarte einführen will, sollte unbedingt darauf achten, sie auch selbst bearbeiten zu können«, rät Clemens Wehner. Gibt man diese Funktion in fremde Hände, kann es sein, dass Aktualisierungen mit reichlicher Verspätung sichtbar werden, zudem könnten für jede Änderung Gebühren dazukommen. 

(Bewegt-)Bilder werden auf digitalen Speisekarten an Bedeutung gewinnen. Künftig könnte es keine Texte mehr zu den Gerichten geben, sondern ausschließlich Bilder und Videos, gerade in Hinblick auf Web3 und Metaverse. 

Dabei handelt es sich um ein virtuelles Umfeld, das bei der Darstellung der Speisen und Getränke mehr Möglichkeiten bietet als die herkömmlichen Medien. »Wir brainstormen intensiv, was wir realisieren können, wagen die ersten Schritte in diese Richtung«, erzählt Wehner. »Man kann mit digitalen Speisekarten dokumentieren, wie in der Küche gezaubert wird.« Restaurants, die Wert legen auf Qualität und Nachhaltigkeit, können etwa zeigen, dass sie nur hervorragende frische Zutaten verarbeiten, und das Geschehen in der Küche zelebrieren.

Wer eine digitale Speisekarte einführen will, sollte unbedingt darauf achten, dass man sie als Gastronom auch selbst bearbeiten kann

Clemens Wehner

Deutsche Verschlossenheit

Im Ausland sei ihm schon öfters aufgefallen, dass manche Locations gar keine normalen Speisekarten mehr anbieten, sagt Wehner. »Der deutschsprachige Markt verhält sich noch relativ verschlossen.« »Vor allem außerstädtisch«, bestätigt Bauer. Bei vielen herrsche der Glaube: Was schon immer funktioniert hat, wird es weiterhin.

Bestimmt nicht mehr allzu lange. Das Bezahlen über das mit der digitalen Speisekarte verknüpfte System wird in den meisten Gastronomien zur Normalität werden. Zudem wird die Speisekarte immer mehr ein virtuelles Erlebnis – mit Zubereitungs-Videos, bei denen die Gäste bestaunen, wie ihr Cocktail oder ein Crêpe gefertigt wird. QR-Code-Ordering am Tisch, inklusive Bezahlen, werde sich danach durchsetzen, prophezeit Bauer. Denn wenn der Gast digital bestellt und bezahlt, werden weniger Servicekräfte gebraucht, das ist auch angesichts des Fachkräftemangels in der Branche eine Option für die Zukunft.

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