Kochen für Clooney
Foto: iSockphoto

Kochen für Clooney

Film- und TV-Catering

von Sebastian Bütow
Freitag, 22.04.2016
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Mario Adorf, der Grandseigneur des deutschen Films, amüsierte sein Publikum mal mit der These, dass die Qualität eines Films einzig von der Qualität des Caterings abhänge. Sicherlich ist Adorf auch als bekennender Feinschmecker bekannt, was seine augenzwinkernde Aussage relativiert. Aber: Da ist mehr als nur »was dran«. Dass gutem Essen eine gute Motivation und beste Performances folgen, gilt auch und insbesondere für die Film- und Fernsehbranche.

Immer öfter werden in Deutschland Filme gedreht, bei denen Hunderte Schauspieler, Techniker und Statisten mit frischen Mahlzeiten versorgt werden müssen. Für die Filmcaterer bedeutet das tagtäglich neue Herausforderungen in Sachen Angebot, Logistik, Qualität und schwierige Situationen, die man vorher nicht erahnen kann.

Sarah Wiener ist eine Pionierin der deutschen Filmcaterer

Zu den Pionieren der deutschen Filmcaterer zählt der TV-Kochstar Sarah Wiener, die nach der Wende ein US-Filmteam im Osten Berlins bekocht hatte, mit preiswert erworbenem NVA-Equipment. Ihre Geschäftsidee fruchtete. Wiener bewirtete fortan weitere Filmproduktionen. Da die Leute vom Film ihren Hunger immer gerne an Orten bekommen, wo weit und breit kein Restaurant in der Nähe ist, führt an spezialisierten ­Caterern längst kein Weg mehr vorbei.

Kochcrew am Set
»Mundwerk«-Chef Rainier Werth (rechts mit dunkler Schürze)
bekochte auch Hollywoodstar John Goodman (mit Hut).
Foto: Mundwerk Catering

Täglich wechselnde Drehorte halten die Caterer auf Trab

Rainier Werth, Inhaber des renommierten Berliner Filmcatering-Platzhirschs »Mundwerk«, bekochte in den vergangenen 15 Jahren unzählige Sets (Drehstandorte). »Grundsätzlich wechseln beim Filmcatering die Sets nahezu täglich. Dann kochen wir, den jeweiligen Umständen angepasst, immer vor Ort in unseren mobilen Kocheinheiten.« Der Fuhrpark von »Mundwerk« geht in die Millionen, ein gut ausgerüsteter »Koch-Lkw« kostet ­inklusive mobiler Premiumküche bis zu einer halben Million Euro.

»Eines der größten Projekte im Bereich Filmcatering war für mich der Kinofilm ›Monuments Men – Ungewöhnliche Helden‹«, erzählt der 41-Jährige. Bei der im Jahr 2013 hauptsächlich in Ilsenburg/Harz und den Babelsberger Filmstudios produzierten deutsch-amerikanischen Koproduktion von und mit Megastar George Clooney sorgten Werth und seine Crew für das Wohl des internationalen Filmteams.

Caterer sind die ersten und letzten am Set
Lässig mit Kaputzenjacke und Jeans, so sieht man den stets
eleganten Megastar George Clooney (3. v. l.) selten. Alle aus
dem Team behandelte er wie ein Gentleman, berichtet sein
Koch Rainier Werth (2. v. l.). Foto: Mundwerk Catering

Die Caterer sind die Ersten und die Letzten am Set

»Ein typischer Tag am Set beginnt für uns so: Um 6.30 Uhr fahren wir mit unserem Food-Truck meistens von unserem Stellplatz los, mit einem vorbereiteten Frühstücksbüfett. Am Set angekommen, laden wir aus, klappen hoch, stellen das Büfett samt der frisch gebackenen Brötchen bereit.« Meist um sieben oder acht Uhr heißt es dann ›hot and ready‹. So nennen wir das, wenn alles fertig aufbereitet ist – und das Filmteam mit dem Frühstücken loslegen kann«, so Werth.

»Uuuund … Action!« – Wenn die erste Klappe fällt und die erste Szene gedreht wird, beginnt für Werth ganz und gar keine Verschnaufpause. »Dann bauen wir einen großen Set-Tisch auf, der ständig befüllt sein muss, mit Kaffee, frischem Obst, Schnittchen etc.« Klar, dass der Tisch ständig aufgefrischt werden muss, bis rund fünf Stunden nach dem Frühstück der Gong zum Mittagessen läutet. Und wiederum einige Stunden später für die abendliche Stärkung.

Movie Mampf
Peter und Helmut Müller, nicht verwandt, aber gemeinsam
Inhaber von »Movie Mampf«. Foto: Movie Mampf

Vegetarische und vegane Gerichte sind längst selbstverständlich

Selbstverständlich gehören vegetarische oder gar vegane Gerichte zu Standardmenüs, ohne die an den Sets nichts mehr geht. Auch Kaffee-Automaten exzellenter Qualität müssen jederzeit ihren Dienst leisten. Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehn – das gilt zumindest für größere Produktionen.

Philipp Lumpp, Inhaber des französischen Filmcaterers »La Buvette« in Berlin, fasst die Besonderheiten des Filmcaterings zusammen: »Die Filmbranche ist die einzige, in der man den ganzen Tag verpflegt wird. Angebote für andere Auftraggeber sind anders angelegt, passen sich sehr den Vorgaben an. Andere Branchen legen mehr Wert auf den Style der Speisen, die Show und die Optik, ob die angebotenen Speisen zu ihrer Marke passen. Beim Film geht es vielmehr um das Essen selbst und die Frage, wie man es hinbekommt, alle aus dem Team zu versorgen.«

Die Filmbranche ist die einzige, in der man den ganzen Tag verpflegt wird

Philipp Lumpp, 
Inhaber 
»La Buvette«

Eine reibungslose Versorgung ist an einem Filmset nicht allzu selbstverständlich ­angesichts ständig wechselnder und vor allem ungewöhnlicher Drehorte. »Ob in Dänemark am Strand, im Berchtesgadener Land, auf einer Fähre oder auf der ­Autobahn, man dreht an den verrücktesten Orten«, so Lumpp.

Der international tätige Filmcaterer Christian Ploiner aus Österreich bekochte das Filmteam von »Mission: Impossible – Rogue Nation« mit Action-Star Tom Cruise. Der fünfte Teil der Blockbuster-Reihe wurde im Jahr 2014 auch in Wien gedreht. Zwar gibt es Bilder von seinem Team mit Tom Cruise und Co., aber: »Wir mussten unterschreiben, dass diese Bilder nicht veröffentlicht werden dürfen«, so Ploiner. Wer dagegen verstößt, hat Anwälte am Hals. Ziemlich teure Anwälte. 

Besondere Herausforderungen sind auch bei ihm an der Tagesordnung. »Unvorhersehbare Dinge passieren wöchentlich. Neulich hatten wir auf der anderen Straßenseite des Sets alles aufgebaut. Dann entschied sich der Regisseur aber, genau dort zu drehen, weil dort besseres Licht war.« Solche Dinge können beim Film nicht nur passieren, sie passieren regelmäßig.

Kamerateam
Foto: iStockphoto

Beim Filmcatering ist Trick 17 gefragt

Keine »normale« Küche, kein Lager – ein Arbeitsumfeld, das hundertprozentig funktioniert, steht den Set-Köchen in der Regel nicht zur Verfügung. Man ist dem Klima ausgesetzt, bei Regen kommt Nässe in den Wagen. Generatoren brechen zusammen. »Oder der Maskenwagen braucht so viel Strom für die Heizlüfter, dass wir mit Gas kochen mussten. Alles schon passiert«, erinnert sich Philipp Lumpp.

»Mittagspausen werden mal eben vor- oder nachverlegt, plötzlich kommen 30 Personen mehr zum Essen.« Als Catering-Koch sollte man immer eine Lösung parat haben. Einmal habe ein Windstoß das komplette Büfett vernichtet. »Dann bleibt nichts anderes übrig, als ein Restaurant in der Nähe zu finden und es leerzukaufen«, sagt Lumpp. »Irgendwie habe ich es immer geschafft, den Filmteams ein gutes Essen hinzustellen.«

Wie auf einer Klassenfahrt

Eine weitere Besonderheit sei, so Lumpp, dass Filmteams über einen längeren Zeitraum Tag und Nacht gemeinsam verbringen würden: »Die Atmosphäre gleicht einer Klassenfahrt.« Neben der Versorgung mit Essen und Trinken sollten Caterer auch gute Stimmung ausstrahlen. Lumpp: »Manche wollen in ihrer Pause mal abschalten vom Dreh, zur Abwechslung über Fußball reden und nicht über Film. Das Cateringteam sollte gute Laune verkörpern. Jeder kann in den Wagen gucken, bekäme einen Streit sofort mit. Das sollte nicht passieren, weil sich negative Stimmung aufs ganze Team ausweiten könnte.«

Gute Filmcaterer müssen ihren Ruf immer wieder bestätigen, die Branche setzt auf Mundpropaganda. »Ich bin seit zehn Jahren dabei und habe mich noch nie aktiv für ein Filmprojekt beworben«, so Lumpp, »ich bin immer angerufen worden.« Jeder Produktionsleiter habe einen Pool von Caterern, mit denen er gute Erfahrungen gemacht habe, »und die ruft er dann an«.

Fuhrpark des Caterers
Offroad ist Pflicht – die Drehorte erfordern auch vom Caterer einen entsprechenden Fuhrpark.
Foto: Ploiner KG

Helmut Dietl bestand auf Tee aus Ton-Kannen

»Dass Stars ganz spezielle Wünsche haben, kommt zwar vor, aber eher selten«, sagt der Filmcaterer Peter Müller, der mit seiner Firma »Movie Mampf« vor allem Sets in Hamburg versorgt – seit rund ­einem Vierteljahrhundert. Der Hollywood-Spionagethriller »A Most Wanted Man« mit dem kürzlich verstorbenen ­Oscargewinner Philip Seymour Hoffman in der Hauptrolle war eine der größeren Produktionen, die Müller zuletzt verpflegte. Schauplatz der John-le-Carré-Verfilmung war Hamburg.

Auch bei »Schtonk!« von Star-Regisseur Helmut Dietl war Müller der Caterer. Dietl bestand bei den Dreharbeiten auf eine spezielle Darjeeling-Sorte. Sein bevorzugter Tee durfte nur aus einer Ton-Kanne fließen. Der Exzentriker liebte Brötchen – aber nur, wenn sie mit Kalbsfleisch belegt waren. Die damals aufstrebende Schauspielerin Veronika Ferres war seine Geliebte. Sie hat nicht nur mitgespielt in dem Oscar-nominierten Streifen, sondern auch dafür gesorgt, dass Dietls Wünsche erfüllt werden.

Megastars bringen eigene Köche mit, die nur sie verwöhnen

Die ganz bekannten US-Schauspieler spielten, was ihre kulinarischen Vorlieben betrifft, allerdings in einer eigenen Liga. »Hollywoodstars bringen meistens ihre eigenen Köche mit, die nur für sie kochen«, erzählt Müller.

Rainier Werth hatte die Ehre, während der Vorbereitungs- und Drehortsuchphase von »Monuments Men – Ungewöhnliche Helden« den Oscarpreisträger George Clooney persönlich zu bekochen. Wie wird man Leibkoch des größten Frauenschwarms auf diesem Planeten? »Das war ein langer Weg, der sehr viel mit Qualität, Ehrgeiz und auch mit Glück und Zufall zu tun hat. Ich hatte George Clooney in dieser Phase vor den eigentlichen Dreharbeiten bekocht. Und er wünschte sich, dass ich beim Drehen sein Koch bleibe.«

George Clooney
George Clooney drehte in Berlin den
Hollywood-Streifen »Monuments Men –
Ungewöhnliche Helden«. Während der
Dreharbeiten sorgten Werth und seine
Crew für das kulinarische Wohl des
Filmteams. Foto: picture alliance/
Capital Pictures

Mit einem Thunfisch-Steak grillte er Clooney glücklich

Da stellt sich die Frage, mit welchem Gericht er Clooney so viele Glückshormone entlockt hat. »Eigentlich mit etwas ganz einfachem – einem Tuna-Steak, frisch ­zubereitetem Wasabi und etwas Salat. ›Boneless und skinless‹, sagte Herr Clooney immer (ohne Haut und Knochen, d. Red.).« Werths Kochkünste überzeugten Clooney so sehr, dass sein »Mundwerk«-Team schließlich auch das ganze Set bekochte mit täglich bis zu 400 Personen – zweifelsohne ein lukrativer Auftrag. »An einem Tag waren es sogar 800 hungrige Menschen.«

Und, welche Allüren hat der Clooney so? »Ich habe Herrn Clooney jeden Tag als ganz tollen Gentleman erlebt. Sehr höflich, sehr freundlich, er hatte immer ein Lächeln, egal ob für mich oder meine Angestellten. Er war auch nicht unnahbar, sondern total offenherzig«, verrät Werth.

Doch die vermeintliche Erfolgs-Endstufe, Hollywood zu bekochen, bringt auch eine Kehrseite mit. Je größer, teurer und aufwendiger die Filmproduktion, desto mehr bleibe der »Charakter des persönlichen Charme-Caterers« auf der Strecke. Also genau das, was Werth eigentlich sein will.

Filmteams bekochen ist ein Knochenjob

Filmcatering ist, da sind sich alle einig, ein Knochenjob, 17 atemlose Stunden am Set sind keine Seltenheit. »Bei ›Monuments Men‹ sind alle ans Limit gegangen. Alle aus dem Filmteam, aber auch wir als Caterer«, erinnert sich Werth.

Einer Empfehlung folgt die nächste, am boomenden Filmstandort Berlin wird man schnell zum Workaholic. »Ich hätte nie gedacht, dass ich mal 38 Angestellte beschäftige«, sagt Werth. »Aus meinem Drei-Mann-Familienbetrieb wurde irgendwann ein mittelständisches Unternehmen. Deshalb ziehe ich jetzt auch ein bisschen die Bremse und lasse jüngere Leute ran, die vor Ort kochen werden.« Kein leichter Schritt, denn: »Filmcatering ist ein Persönlichkeitsgeschäft. Die Filmleute rufen gerne nach dem Chef.«

Als Filmcaterer komme man wahnsinnig viel rum, ist Leuten sehr nah, die mit Glanz und Glamour in der Presse auftauchen. Rainier Werth schmunzelt: »Es ist dann aber auch interessant zu sehen, dass diese Leute eigentlich auch ganz normale und größtenteils auch liebenswürdige Menschen sind.«

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