Hotel Hochschober
Foto: Hauke Dressler

Peking trifft Istanbul in den Alpen

von Clemens Kriegelstein
Donnerstag, 05.09.2019
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Wer mitten in den Alpen auf knapp 1.800 Metern Seehöhe einen authentischen chinesischen Turm sieht, dem bekommt entweder die Höhenluft nicht gut oder er befindet sich gerade auf der Turracher Höhe und steht vor dem Hotel Hochschober. Auch wenn man dort im tiefsten Winter sieht, wie manche Leute bei Schneefall und klirrender Kälte entspannt im Turracher See planschen, könnte manch einer Sauerstoffmangel zumindest bei den Badenden diagnostizieren. Chinesischer Turm, Schwimmen in Badehose in einem Alpensee im Winter? Und zum Aufwärmen dann in einen türkischen Hamam, oder wie? Zum Beispiel – aber der Reihe nach.

Stromanschluss erst in den 1950er-Jahren

Die Turracher Höhe ist ein Bergpass im Süden Österreichs, an der Grenze zwischen der Steiermark und Kärnten. Hier wurde bereits 1929 der Gasthof Hochschober von Hans und Hilde Leeb eröffnet. 30 Betten mit fließendem Warm- und Kaltwasser und eine Zentral­heizung standen zur Verfügung. Für damalige Verhältnisse – ein Anschluss an das Stromnetz erfolgte erst Mitte der 1950er-Jahre – und in dieser Gegend ein fast unglaublicher Luxus. Das Gepäck wurde damals noch mit Ochsenkarren zum Hotel gebracht. »Vollpension, bestehend aus Zimmer mit drei reichlichen Mahlzeiten, täglich Braten mit Beilage, kostet in der Vorsaison 7,- Schilling, in der Hauptsaison 8,- bis 9,50 Schilling«, stand etwa im Hotelprospekt von 1932 zu lesen.

Eines war den Betreibern jedenfalls von Anfang an klar: Zufallsgäste sind in dieser exponierten Lage eher selten, hier muss der Gast ganz bewusst buchen – und das gelingt nur mit entsprechender Qualität. Schon früh wurde daher auf moderne Zimmergestaltung und hohen Komfort gesetzt, der riesige Spa-Bereich mit mehreren Saunen, Aromagrotten, Anwendungsmöglichkeiten und In- wie Outdoor-Pools sind heute ähnlich legendär wie das Frühstücksbüfett, das noch immer zu den besten und umfangreichsten im Alpenraum gehört.

30 Grad Seetemperatur auch im Winter

Doch Peter Leeb, die zweite Generation der Hoteliersfamilie, wollte immer schon einen Mehrwert, etwas Einzigartiges bieten. 1995, nach zehnjähriger Planungs- und Entwicklungszeit, ist ihm dies mit dem»See-Bad« auch gelungen. Die Idee dahinter: Mittels Kunststoffplanen wird ein Bereich des Turracher Sees seitlich begrenzt, nach unten hin bleibt dieses »Becken« allerdings offen, man schwimmt in reinem Seewasser, das sich etwa alle zehn Stunden von selbst austauscht. Die Wärmepumpe und der Wärmetauscher befinden sich in den Seitenwänden, die das Becken vom kalten See abgrenzen. Mit umweltfreundlicher Energie aus dem nahen Biomasseheizwerk wird die obere Wasserschicht permanent, sommers wie winters, auf ca. 28–30 Grad erwärmt. Und da (nicht immer war die Physikstunde in der Schule verlorene Zeit…) warmes Wasser leichter als kaltes ist, schwimmt es eben obenauf, und der Gast kann das ganze Jahr über auf 25 x 10 Metern seine Bahnen schwimmen – nur beim Tauchen wird’s sehr schnell ziemlich erfrischend…

Und wer jetzt wegen der Heizkosten fragt: Ja, es kostet Geld, muss aber in Relation gesehen werden. »Die Energiekosten pro Übernachtung betragen zwischen 80 Cent und 1 Euro – je nach Witterung, Jahreszeit, Auslastung, usw. Dennoch liegen wir mit unseren Energiekosten im Branchenschnitt. Alles steht und fällt daher mit der Auslastung. Aber es rentiert sich für uns, denn seit es das See-Bad gibt, ist diese weltweit einzigartige Attraktion stets Gästemagnet«, weiß Peter Leebs Tochter, die aktuelle Besitzerin Karin Leeb. Zudem kann im Sommer, wenn der Turracher See von Haus aus über 20 Grad hat, bis zu einem Drittel der benötigten Energie über einen Wärmetauscher aus dem See selbst bezogen werden.

Trotzdem: In Zeiten von Energiesparen, Klimawandel, CO2-Panik etc. 250 m² eines hochgelegenen Natursees beinahe auf Thermaltemperatur zu heizen – gab’s für dieses Projekt nie Kritik? Karin Leeb: »Wir leben vom und arbeiten alle im Tourismus. Natürlich könnte man das jetzt als Energieverschwendung kritisieren, aber wenn wir ehrlich sind, ist jeder Wellnessurlaub, jeder Spa-Bereich Energieverschwendung, jede Auto- oder gar jede Flugreise schlecht für die Umwelt. Wo beginnt man da? Aber vor allem schließt das See-Bad ja nicht aus, dass wir in vielen anderen Bereichen so ökologisch wie nur möglich handeln, was wir definitiv machen.«

Waschung
Die Wellness-Möglichkeiten im Hochschober sind schier unbegrenzt. Spektakulärstes Angebot ist aber sicher der beheizte See, der Schwimmen selbst im Winter ermöglicht. Foto: Hochschober

Waschungen nach türkischer Tradition

Peter Leeb hat mit dem See-Bad jedenfalls Lunte gerochen für ungewöhnliche Attraktionen, und 1998 folgte der zweite Streich in Form eines authentischen türkischen Hamams, der nach Plänen eines Istanbuler Architekten entstanden ist. Dafür, dass man sich bei den Waschungen tatsächlich wie in der Türkei fühlt, sorgt ein türkischer Hamam-Meister, der regelmäßig ins Hotel kommt, die Mitarbeiter hier schult und den hohen Standard aufrechterhält.

Diese Leidenschaft hat Peter Leeb wohl auch an seine Tochter weitergegeben, denn bereits in ihre Schaffenszeit (Anfang 2003 übernahm sie die Geschäftsführung des Hochschober in dritter Generation) fiel das dritte – und optisch spektakulärste –»Wahrzeichen« des Hotels: der Bau eines chinesischen Turms im Jahr 2005. Natürlich wieder nach Original-Plänen, mit in China angefertigten Keramikziegeln. Innen kann man etwa einer authentischen chinesischen Teezeremonie beiwohnen. Die regelmäßigen Schulungen für die hier tätigen Mitarbeiter kommen dabei von einer chinesischen Tee-Expertin aus Wien. Außerdem kann man im China-Turm Yoga- und Meditationskurse belegen oder sich von einer chinesischen Expertin auf verschiedenste Arten massieren oder anderweitig behandeln lassen.

So geht USP

»Ganz klar ist, dass See-Bad, Hamam und China-Turm unsere Aushängeschilder in der Vermarktung sind, die wir immer ins Schaufenster stellen und die auch immer noch funktionieren. Irgendwie muss ich mich schließlich von den anderen guten Angeboten der Mitbewerber abheben«, erklärt Leeb. Beinahe nebensächlich wirkt da schon die hauseigene Bibliothek namens »Wortreich«, die 2010 eröffnet wurde und in der die Gäste unter mehr als 3.000 Werken der Weltliteratur wählen können.

Doch all diese Angebote sind vielleicht ein Grund für die durchschnittliche Jahresauslastung von rund 97 Prozent (!), aber nicht alleine ausschlaggebend. Schließlich darf man nicht vergessen, dass die Übernachtungspreise bei knapp 150 Euro pro Person beginnen, bei knapp 300 Euro in der Hauptsaison und der teuersten Zimmerkategorie enden (durchschnittlicher Logiserlös: 183 Euro pro Person) und nicht rabattiert werden, weder für Promis noch für Stammgäste. Wohlgemerkt, ziemlich alleinstehend auf 1.800 Metern Seehöhe gelegen, ohne das Flair von Lech oder Ischgl und auch ohne Zuhilfenahme einschlägiger OTAs wie booking.com & Co. In den letzten Jahren hat man zudem schon fast auf einen Ganzjahresbetrieb umgestellt, lediglich zwischen Ostern und Ende Mai (dieses Jahr also nur rund fünf Wochen) gibt es noch einen Betriebsurlaub. »Das Hotel ist das Ergebnis aus lauter funktionierenden Einzelteilen, die ineinandergreifen«, so Karin Leeb. »Dazu zählen das See-Bad oder der China-Turm ebenso wie unser Kulinarik-Angebot, der hohe Standard der Zimmer oder die große Spa-Landschaft. Es ist das Gesamtangebot, auf das es ankommt.«

Schwierige Suche nach Fachkräften

Aber die Hardware ist eben bei Weitem nicht alleine ausschlaggebend. Auch die Software ist es, die maßgeblich Teil am Erfolg hat. Und die beginnt bereits bei der Mitarbeiterproblematik. Schon für Betriebe in Kitzbühel oder am Arlberg ist es oft mühsam, gutes Personal zu bekommen. Um wie viel schwieriger ist es dann, jemanden zu motivieren, dort zu arbeiten, wo sich Fuchs und Hase buchstäblich gute Nacht sagen, wo die Möglichkeiten, nach Dienstschluss mal auf ein Bier zu gehen, eher begrenzt sind. »Die Suche nach ausgebildeten Fachkräften ist sehr, sehr schwierig. Wir stecken daher viel Arbeit und auch Geld in die eigene Ausbildung von potenziellen neuen Mitarbeitern, z.B. auch Quereinsteigern«, erklärt Karin Leeb.

Dabei führt die angespannte Mitarbeitersituation durchaus zu ungewöhnlichen Situationen. So bewirbt sich Leeb schon mal in den Berufsschulen bei den Jugendlichen als Arbeitgeber und nicht – wie man vielleicht meinen könnte – umgekehrt. Leeb: »Am besten funktioniert aber derzeit die persönliche Weiterempfehlung. Wenn uns jemand einen neuen Mitarbeiter vermittelt – und in der Regel sind das ja bestehende Kollegen – dann bekommt derjenige einen Gutschein für zwei Übernachtungen mit Begleitung.«

Hire und Fire hat ausgedient

Und logisch, dass Bezahlung, Unterbringung und generelle Behandlung der Mitarbeiter über dem Branchenschnitt liegen. »Hire und Fire hat ausgedient«, so Leeb. Auch im Hotel Hochschober sei für die Mitarbeiter eine Fünf-Tage-Woche der Normalfall, notwendige Überstunden in den Hauptsaisonen werden selbstverständlich abgerechnet. Zusätzlich finde man hier besonders viele Frauen auch als Abteilungsleiter. Leeb: »Der Tourismus ist nun mal eine sehr frauendominierte Branche. Bei uns muss ich schon fast aufpassen, dass nicht die Männer unter die Räder kommen und von den sehr guten und motivierten Frauen, die bei uns arbeiten, an die Wand gespielt werden.«

Frühstücken wie ein Kaiser

Bleibt noch ein Punkt im Hochschober-Angebot, der bislang nur kurz angesprochen wurde: die Kulinarik im Allgemeinen und das Frühstück im Speziellen. Letzteres bietet eine Qualität und einen Umfang (hauptsächlich regionale Produkte), die im Alpenraum nicht leicht zu toppen sind und bei allen Gästebefragungen zu den wichtigsten USPs des Hochschober gehören. Und beim abendlichen Menü gibt es nicht nur für jeden Gang eine vegane Alternative (selbst beim Frühstücks- und Mittagsbüfett gibt es eine vegane Ecke), auf Wunsch wird auch auf absolut jede Allergie oder Unverträglichkeit Rücksicht genommen.

Was die Zukunft im Hotel Hochschober bringen soll, dazu werden aktuell gerade diverse Pläne geschmiedet. Im Haupthaus sind derzeit alle anstehenden Renovierungen in den Zimmern oder öffentlichen Bereichen abgeschlossen. Die Familie Leeb hat sich allerdings ein Nachbar-Grundstück gesichert, das vermutlich nicht lange leer stehen wird. Ob dort künftig Familienappartements oder klassische Zimmereinheiten, quasi als normale Erweiterung des Hochschober, stehen werden, entscheidet sich höchst­wahrscheinlich in den kommenden Monaten.

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