Starköche ahoi
Fotos: TUI Cruises

Starköche ahoi!

Wie Mälzer, Raue und Co. die Weltmeere erobern

von Sebastian Bütow
Samstag, 10.09.2016
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Jetzt singt er auch noch: Wer glaubte, als Passagier der »MS Europa 2« von dem Star-Gast im doppelten Sinne, dem Sterne- und Fernsehkoch Nelson Müller, »nur« bekocht zu werden, dessen Trommelfell wurde eines Besseren ­belehrt.

TV Koch Nelson Müller
Foto: Hapag-Lloyd Cruises

»You To Me Are Everything« – Müller performte mit seiner professionellen Soulstimme den legendären 70er-Jahre-Evergreen von The Real Thing und viele ­andere Hits. Der Koch entertainte und beschallte das ganze Schiff, mit Schürze bekleidet, denn kurz zuvor schwang er noch den Live-Cooking-Löffel, den er nun gegen das Mikro tauschte. Backgroundsängerin und Band begleiteten ihn. Und der vor allem durch seine TV-Formate im ZDF ­bekannte Koch-Entertainer riss mit seiner leidenschaftlichen, extrovertierten Gesangseinlage alle mit.

Kein Überraschungs-Gig, sondern ein planmäßiger Auftritt. Regelmäßig rockt Müller mit der Jim Rockford Band. Bevor der in Ghana geborene Tausendsassa im Jahr 2009 sein erstes Restaurant in Essen eröffnete, war er sogar zwei Jahre lang als Musiker unterwegs.

Streetfood Markt
Kulinarischer Landgang auf der Kreuzfahrt mit TV-Koch Nelson
Müller: Es geht auf den angesagten Streetfood-Markt auf der
PapirØen (Papierinsel) in Kopenhagen. Foto: Hapag-Lloyd Cruises

Singing, Cooking, Dancing mit Nelson Müller

So passte es wie die Faust aufs Auge, dass die »MS Europa 2«, die als Schiff mit der besten Gastronomie gilt, im Juli dieses Jahres zur viertägigen »Soul Kitchen«-Kreuzfahrt lud – und Müller als doppelte Attraktion engagierte. Singing, Cooking, Dancing! Starköche, DJs und Musiker ­zelebrieren an Bord »eine Fusion aus Gourmetküche und ­Musik«, wie es die Reederei offiziell formuliert.

Sogar an Land kamen die Passagiere in den Genuss, Nelson Müller zu erleben. Der nahm sie nämlich mit zu einem »kulinarischen Landausflug«. In Kopenhagen entführte er seine Ausflugsgruppe auf den sehr angesagten »Street Food Market« auf der PapirØen (Papierinsel), zeigte ihnen die kulinarische Vielfalt in den alten Lagerhallen, in denen originell dekorierte Stände und Foodtrucks allerlei internationale Köstlichkeiten anbieten. Und eine Menge Inspiration.

»AIDAprima« setzt auf Tim Mälzer total

Tim Mälzer total heißt es dagegen auf der »AIDAprima«: Das neue Flaggschiff der ­AIDA-Flotte mit Heimathafen Hamburg schmückt sich gleich mehrfach mit dem Namen des TV-Kochs, der in der Hansestadt das In-Restaurant »Bullerei« betreibt.

Höhepunkt der Zusammenarbeit ist die »Tim Mälzer Kochschule«, in der nach seinen Vorgaben Rezepte erlernt und zubereitet werden. Und da Mälzer dafür bekannt ist, gerne Kinder an seiner Kochkunst teilhaben zu lassen, wird auch eine Kochschule für den Nachwuchs der Passagiere angeboten, die hier Wissenswertes rund um ausgewogene Ernährung und Lebensmittel erfahren. Nichts Neues übrigens, hat Kollegin Sarah Wiener ebenso schon (an Bord) gemacht.

Der Deal zwischen AIDA und Mälzer sieht vor, dass seine Kreationen in den Schiffs-Restaurants angeboten werden. Jeden Tag kommen die Passagiere in den Genuss eines typischen Mälzer-Gerichtes, der vor allem mit modern-kreativer gutbürger­licher Küche berühmt wurde.

TV Koch Tim Mälzer
Tim Mälzer hat eigens für AIDA verschiedenste Gerichte kreiert, die
auf vielen AIDA Schiffen im Buffalo Steak House, dem Brauhaus und
in der Tim Mälzer Ecke in den Büfett-Restaurants angeboten werden.
Foto: dpa - Report

Es mälzert auf jedem AIDA-Schiff

Die Kooperation gilt nicht nur für die ­»AIDAprima« – sondern für die gesamte Flotte. »Besonders reizvoll ist es für mich, Rezepte zu entwickeln, die die Einzigartigkeit des Reiseerlebnisses für die Gäste noch einmal unterstreichen. Wenn die Passagiere von ihren Landausflügen zurück an Bord kommen, bringen sie eine ganze Reihe von Eindrücken und Erfahrungen mit. Es ist doch interessant, wenn man diese mit den geeigneten Gerichten fortsetzen kann«, sagte Mälzer bei der Präsentation.

Der Sympathieträger Mälzer soll ein Aushängeschild werden für die Rostocker Reederei, zumal er zur Klientel des Unternehmens passt, das das Image des jungen, frischen und familienfreundlichen Kreuzfahrtanbieters pflegt.

Auch das Taufmenü für die »AIDAprima« stammt von Mälzer – es muss nicht immer Kaviar sein: So ließ er eine Fischsuppe »Hamburger Jung« servieren, es folgten Ochsenrippe, Spargelragout, Kartoffel-Zwiebel-Stampf, Dunkelbiersauce. Und als Desserts »Tims Grießflammerie« und Erdbeer-Rhabarber-Grütze.

Hans Peter Fink Léa Linster Johann Lafer
Zu ihrer 10. Gourmetreise lud die »Mein Schiff 1« gleich drei
Starköche: Das Österreich-Duo Johann Lafer (r.) und Hans Peter Fink
sowie die Luxemburgerin Léa Linster (Mitte). Moderiert wurde die
Show u. a. von Rupert Kien (l.), Director F&B-Services der »Mein
Schiff«-Flotte. Foto: TUI Cruises

Win-Win-Win für alle

Die Frage lautet nicht, welches Schiff ­einen Starkoch an Bord hat – sondern eher, welches keinen hat. Man kann durchaus von einer Inflation der Starköche auf den namhaften Schiffen sprechen. Beim Konkurrenzkampf ums beste Bord-Essen und -Entertainment gelten Top-Namen wie Nelson Müller und Tim Mälzer längst als ziemlich harte Währung.

Der Trend begann in der letzten Dekade, als Hapag-Lloyd als erste Reederei für die »Europa« TV-Köche wie Johann Lafer und Cornelia Poletto an Bord geholt hatte. Mit Erfolg. Das Experiment wurde zum Trend, der sich als Win-Win-Win für alle (­Passagiere, Köche, Reedereien) mehr als etablierte.

Promi-Köche haben Hochkonjunktur, ebenso Kreuzfahrten, innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich die Anzahl der Hochseekreuzfahrten beinahe verdreifacht, Tendenz weiter steigend. Schiff und Starkoch, da passen Topf und Deckel wirklich zusammen, sehr zur Freude der gut zahlenden Kundschaft.

Denn an Land bekommen normale Gäste die Kochprominenz eigentlich so gut wie nie zu Gesicht. Anders verhält es sich dagegen auf hoher See, wenn große Namen ihre Fünf-Gänge-Menüs nicht nur verantworten – sondern sich gern selbst unter das Publikum mischen, auch aus eigenem Interesse.

Man hat Kontakt, interessante
Gespräche und kommt mit vielen Impressionen im Gepäck wieder zurück

Nelson
Müller

Eine perfekte Gelegenheit, um die eigene Marke zu stärken

»Für mich war die Zeit auf der der ›MS ­Europa 2‹ natürlich ein Volltreffer«, sagt Nelson Müller im Gespräch mit HOGAPAGE, »weil meine beiden Leidenschaften hier gefragt waren – Kochen und Musik.« Und wie hat er den etwas intensiveren Kontakt mit den Gästen empfunden? »Man hat Kontakt, interessante Gespräche und kommt mit vielen Impressionen im Gepäck wieder zurück nach Hause«, schwärmt Müller.

Viele seiner Kollegen nutzen die Schiffe auch, um ihre »Marke« zu stärken, etwa indem sie ihre Kochbücher promoten. Sogar der internationale König der TV-Köche, der Brite Jamie Oliver, begleitete das Giga-Kreuzfahrtschiff »Anthems of the Sea« auf seiner Jungfernfahrt – um dort sein sicherlich lukratives Restaurant zu eröffnen.

Sternekoch Tim Raue
Auf der »Mein Schiff 5« heißt die kulinarische Attraktion »Hanami –
by Tim Raue«. Der Zwei-Sterne-Koch hat u. a. das Konzept erarbeitet
und bei der Einrichtung mitgewirkt. Foto: API / Jessica Kassner

Tim Raue lockt auf dem neuen TUI-Schiff mit Asia-Schmankerln

»Mein Schiff 5« heißt der neueste Ozeanriese von TUI, »Stars machen den Unterschied« das Marketing-Motto der stetig wachsenden Flotte. Namen wie Jazz-Weltstar Till Brönner oder Schlagersängerin Michelle versprechen prominentes Entertainment, welches auch über die Showbühne hinaus geboten werden soll. Dass eine kulinarische Attraktion auf der »5« »Hanami – by Tim Raue« heißt, unterstreicht dies.

Der Berliner Zwei-Sterne-Koch mit dem Asia-Faible hat das Konzept für das À-la-carte-Restaurant erarbeitet, Raue lockt mit Sushi und Sashimi und »Raue-Klassikern« wie Wasabi-Garnelen oder japanischer Thunfischpizza. Mit 120 Plätzen ist das »­Hanami – by Tim Raue« das größte und edelste Restaurant auf dem Schiff.

»Das Besondere an meiner Küche ist, dass sie Süße, Säure und Schärfe und die verschiedenen asiatischen Stile miteinander verbindet«, erklärt Raue. Das bereits in ­anderen »Mein Schiff«-Restaurants bewährte Hanami-Konzept setzt er fort, indem er seinen Stil mit einbringt – nicht nur auf den Tellern der Gäste.

Nelson Müller holt sich inspiration beim Streetfood
Unterwegs gibt es auch für Starköche viel zu entdecken: Nelson
Müller lässt sich gerne von Streetfood in anderen Ländern
inspirieren. Foto: Hapag-Lloyd Cruises

Raue war auch für das Design verantwortlich

Die Raumgestaltung ist puristisch, in warmen Brauntönen gehalten. Asiatische Kunstwerke und Mobiliar aus Walnussholz lockern den Raum optisch auf. Das Highlight: ein filigran ausgearbeiteter Origami-Kirschbaum des niederländischen Künstlers Peter Gentenaar. »Für mich ist bei einer Restaurantkonzeption immer wichtig, dass ich von A bis Z dabei bin«, so Raue, »ich war auch für das Interior Design (Inneneinrichtung, d. Red.) verantwortlich.«

»Tim Raue sucht sogar die Musik für das Hanami aus«, ergänzt Markus Zschiesche, Head of Food & Beverages von TUI Cruises, der das Restaurant als »neuen Primespot« sieht. »Wir haben kulinarisch schon eine Menge zu bieten auf unseren Schiffen, was all inclusive ist, etwa Fünf-Gänge-Menüs im Atlantic. Um da noch etwas draufzulegen, haben wir die Bezahlbereiche – und da brauchen wir die Kooperationen mit den Spitzenköchen. Der Gast spürt dadurch eine gewisse Wertigkeit.«

Dieter Müllers »schwimmender Gourmettempel«

Auch Legende Dieter Müller, einer der kreativsten und außergewöhnlichsten Spitzenköche Deutschlands, hat ein gleichnamiges Top-Restaurant an Bord der »MS Europa«. Es gilt als »schwimmender Gourmettempel« (Zitat Gault & Millau). Als Indiz für den Wahrheitsgehalt dieser Einschätzung könnte dienen, dass Müllers Restaurant gerade einmal 26 Plätze bietet.

Der Knüller: Als Patron ist Müller (»Ich habe an Land alles erreicht«) an 70 Tagen im Jahr persönlich als Gastgeber zugegen. Die Nachfrage nach seiner Anwesenheit ist groß: Auf der Homepage der Reederei gibt es sogar einen Extra-Buchungslink für die Zeiträume, an denen Müller an Bord ist.

Kochstudio mit Tim Mälzer und Gästen
Tim Mälzer begeistert kleine und große Gäste in seinem
»Kochstudio« auf der »AIDAprima«. Foto: Hapag-Lloyd Cruises

Ein Promikoch kommt selten allein

Zur 10. Jubiläums-Gourmetreise »Asien mit Vietnam« im Februar gönnte sich »Mein Schiff 1« gleich drei Stars am Herd: das Österreich-Duo ­Johann Lafer und Hans Peter Fink sowie die Luxemburgerin Léa Linster, die sich TV-like ein unterhaltsames Kochduell lieferten und Fragen der begeisterten Gäste beantworteten. Mal duellierte sich Lafer mit dem Küchenchef, mal mit einem Gast aus dem Publikum. »Entertainment, bei dem der Spaß im Vordergrund steht«, findet Zschiesche. »Aber diese Köche gewähren den Gästen dabei tiefere Einblicke, wie sie ihre Gerichte zubereiten.«

Deutschlands Ober-TV-Gourmet Reiner Calmund komplettierte das namhafte Aufgebot, indem er aus seinem Bestseller »Eine Kalorie kommt selten allein« vorlas und so einige Schenkelklopfer zum XXL-Koch-Event beitrug.

»Die Passagiere haben es genossen, diese Stars nicht nur zu sehen, sondern auch verschiedene Aktionen mit ihnen zusammen zu machen«, so Markus Zschiesche. »Die Kochshow war voll, die Workshops waren gut gebucht. Wenn Lafer seine Menüs in den Fine-Dinings angeboten hat, haben danach viele gesagt: ›Ich möchte noch mal!‹« Deshalb habe man kurzfristig noch zwei Zusatztermine auf die Beine gestellt.

Starkult an Bord? »Einmal habe ich Alfons Schuhbeck 48 Stunden begleitet«, erinnert sich Zschiesche, »ich flog mit ihm auf die Kanaren, ging mit ihm an Bord und flog mit ihm wieder zurück. Da merkte ich erst, wie sehr so ein Starkoch wirklich im Rampenlicht steht. Er konnte sich wirklich nicht mal die Schuhe in Ruhe zubinden, ohne von jemandem angesprochen oder um ein Foto gebeten zu werden.«

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