Gehen Sie auf Nummer sicher
Fotos: fotolia.com: Maksim Kabakou

Gehen Sie auf Nummer sicher

Systeme, die Gäste und Angestellte vor Einbrüchen und Überfällen schützen, sind heute ein Muss

von Daniela Müller
Sonntag, 17.04.2016
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Ein 4-Sterne-Hotel in Wien war Ende letzten Jahres Tatort eines Raubüberfalls. Gegen 7.30 Uhr betrat ein mit Sturmhaube maskierter Räuber die Hotellobby. Er bedrohte eine Hotelangestellte an der Rezeption mit einer Pistole (die zumindest echt aussah) und forderte Geld. Die Angestellte erlitt am Ende einen schweren Schock, der Räuber flüchtete mit der Beute. Immerhin: Eine Polizeistreife konnte den 34-jährigen Täter kurze Zeit später fassen.

Solche Überfälle sind leider kein Einzelfall. »In Deutschland gab es im Vorjahr rund 68.000 bis 70.000 Delikte in Hotels, davon waren zwei Drittel leichte Vorfälle wie Diebstahl. Bei einem Drittel der Straftaten kam es zu einer hohen Schadenshöhe bzw. einem gewaltsamen Einbruch und/oder körperlichen Übergriffen«, so Ralf Mikitta, Geschäftsführer Micycle Telematik und Sicherheitssysteme in Deutschland.

(Hinter-)Eingänge und Rezeption am meisten gefährdet

»Das größte Gefährdungspotenzial besteht für den (hinteren) Eingangsbereich und die Rezeption«, erklärt Mikitta. Schlupflöcher existieren viele. Oftmals sind die Kassenbereiche schlecht gesichert bzw. befindet sich viel Bargeld in der Rezeption. Auch die personelle Komponente sollte nicht vernachlässigt werden. »Nicht selten gibt es Informanten innerhalb des Personals, die Tipps hinsichtlich des richtigen Zeitraums für den Raub der Tageseinnahmen und anderer Überwachungsschwächen geben«, warnt Dr. Thomas Ollinger, Geschäftsführer Abus Austria. Nicht zu vergessen sei der Garderobenbereich in
Gas­tronomie oder Hotellerie, wo Gelegenheitsdiebe warten.

Das »sichere« Marktangebot

»Der eindeutige Trend geht zur Vernetzung der einzelnen Sicherheitskomponenten wie Hotelschließsystemen, Video, Alarm und EDV«, berichtet Ollinger. So ist es im Videobereich die IP-Technologie, die hohe Auflösung mit guter Vernetzung verbindet. Bei Alarmanlagen setzt man bei Installation in bestehenden Gebäuden auf Funktechnologie, bei größeren Objekten und in Neubauten auf verkabelte Alarmsysteme. »Bei Schließsystemen kommen mechanische, elektronische und Hybridlösungen zur ­Anwendung, beispielsweise wAppLoxx von Abus, welche die drei Anforderungen kombiniert«, so Thomas Ollinger.

Sinnvoll oder übertrieben?

Unumstritten ist, dass Alarmanlagen besonders in großen Hotels mittlerweile zum Standard gehören. Manchmal auch bei teilweise unbewohnten Objekten wie Restaurants oder an abgelegenen Orten. Für die Rezeption und in Räumlichkeiten, in denen sich wertvolle Gegenstände befinden, gibt es mittlerweile günstige Nachrüstmöglichkeiten. Dies gilt auch für die Videoüber­wachung, die neben dem Einbruchs- und Überfallthema auch für Kassen- und
Garagenüberwachung einsetzbar ist.

Was in diesem Bereich übertrieben ist, hängt vom subjektiven Empfinden ab. In dem Augenblick, wo sich Gäste und Mitarbeiter eingesperrt fühlen, könnte man von übertriebener Sicherheitstechnik sprechen. »Letztlich geht es immer um einen Trade-off zwischen der absoluten Sicherheit, der Sicherheit und dem Wohlbefinden von Personal und Gästen und dem Komfort des Hotels«, findet Thomas Ollinger. Weiterhin sind Persönlichkeitsrechte der Beteiligten zu hinterfragen, und es ist abzuklären, ob eine Videoüberwachung gesetzlich zulässig ist oder dazu dient, die Produktivität des Personals zu kontrollieren.

Ist die Videoüberwachung unzulässig, drohen hohe Bußgelder und Entschä­digungsansprüche, wenn Persönlichkeitsrechte von Gästen und Hotelpersonal verletzt wurden. Ein Hotel, das von außen wie ein Hoch­sicherheitstrakt aussieht, schreckt die Gäste ab. »Allerdings haben Marktforschungs-Studien gezeigt, dass Hotels mit Videoüberwachung besser gebucht sind als solche, die keine besitzen«, so Mikitta.

Hotels mit Video-
Überwachung werden besser gebucht als solche, die keine besitzen

Ralf Mikitta,
Micycle Telematik

Mehr Sicherheit heißt weniger Versicherungsbeitrag

Wichtig ist, dass für die eingesetzte Sicherheitstechnik bei Videoüberwachungssystemen auch noch Jahre später Support angeboten wird und die eingebaute Sicherheitsanlage ­erweiterbar ist. Sonst kann beim Ausbau eines Restaurants oder Hotels das System nicht »mitwachsen«. Außerdem ist auf die Kompatibilität der Sicherungsanlagen zu achten, damit diese untereinander verknüpft werden können. Bei der eingesetzten Technik bzw. dem eingesetzten Produkt ist es ratsam, dass entsprechende Prüfzertifikate gemäß den allgemeinen Anforderungen an sicherheitstechnische Anlagen vorliegen, um eventuell mit dem Versicherer günstigere Prämien auszuhandeln. Bei hochauflösenden Kameras können die Daten direkt auf einer Speicher­karte in der Kamera oder zentral auf einem Server gespeichert werden oder über Netzwerkleistungen an eine zentrale Überwachungszentrale übermittelt werden.

»Dank manipulationssicherem Export, den beispielsweise Netavis-Videoüberwachungssysteme bieten, sind die hochauflösenden Videostreams bei Polizei oder Versicherungen ein sicheres Beweismittel«, betont Engelbert Gollinger, Leiter der ­Sicherheitstechnik bei Karall & Matausch Österreich. Für die nächtliche Überwachung wurden Infrarotkameras und restlichtverstärkte Kameras entwickelt. »Bei größeren Systemen liegen die Kosten mit Kabel, Aufzeichnung und Abfrage inkl. Einbau bei 500 bis 800 Euro pro Kamera«, rechnet Megaton-Leiter Ing. Robert Fritz vor.

Gefahr lauert vor allem in der Nacht

Überfälle auf Hotels bzw. Hotelrezeptionen erfolgen meist in den Nachtstunden. Das Verschließen der Eingangstüren ist daher eine sinnvolle Maßnahme, um alle Hotel­bereiche vor ungebetenen Gästen zu schützen, idealerweise mit einer Schleuse. »Eingangstüren, die nicht im direkten Sichtbereich der Rezeption liegen, können mittels Video­kameras oder Türsprechstellen überwacht werden«, so Engelbert Gollinger. Elektronische Schließsysteme mit Zugangskontrolle können zeitlich oder räumlich begrenzt werden. Protokollierende Zylinder und Beschläge zeichnen die Zugriffe auf. Bei schlüssellosen Systemen müssen nicht alle Zylinder ausgebaut und erneuert werden. Bei auf der berührungslosen RFID-Technik (»Identifizierung mithilfe elektromagnetischer Wellen«) basierenden Zutrittssystemen erfolgt die Berechtigungsvergabe zentral mittels Software oder Kartencodierstation. Auf Kartenverlust kann reagiert werden, indem die verlorene Karte ausprogrammiert wird und ihre Sperrfunktion verliert.


Markus Lintner
Foto: Lintner
Sicherheitstechnik

Nachgefragt: Ing. Markus Lintner, Geschäftsführer
Lintner Sicherheitstechnik GmbH

 

Wie kann sich ein Hotelier gegen ungebetene Gäste schützen?
Wir empfehlen ein elektronisches Kartensystem, welches die Zutrittsberechtigung kontrolliert. Verliert ein Gast seine Karte oder einer der Mitarbeiter einen Chip, kann dieser sofort gesperrt werden. Außerdem können Sie jede Öffnung ­eines Türschlosses auslesen und protokollieren. Bei (vermeintlichem) Diebstahl aus einem Gästezimmer können Sie sofort reagieren. Alle Fluchtwege und ­Außentüren sollten mit selbstverriegelnden Panikschlössern oder Motorschlössern gesichert werden, um einen Versicherungsanspruch sicherzustellen.

Mehr Sicherheit im Hotel

 

Markus Lintner

Auch die Rezeption gehört ja zu den gefährdeten Orten ...
Die Rezeption sichern Sie am besten mit einem Tresor, der an eine Alarmanlage angebunden wird. Zugänge und den Bereich um die Rezeption sollte man idealerweise videoüberwachen, da in einem Hotel laufend sehr viele Personen aus- und eingehen, bei denen nicht erkennbar ist, ob es sich um Hotelgäste oder Unbefugte handelt.

Wo sehen Sie momentan noch die größten Schwachstellen beim Thema Sicherheit?
Im Bereich der Bargeldaufbewahrung. Auch offene Bürotüren und offene Fluchtwegtüren sind ein Risiko.

Wie viel sollte ein Hotel in die Sicherheitstechnik investieren?
Das kann man pauschal schwer beziffern. Je nach Hotelgröße – ein Kartensystem kostet ab 250 Euro pro Tür, eine ­Videoüberwachung ca. 500 Euro je ­Kamera, und eine Alarmanlage für die Rezeption und das Büro liegt im Bereich von etwa 2.500 Euro.

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