Vorurteile

Biases im Recruiting: So vermeiden Sie Fehler

Porträt von Tom Lakin
Tom Lakin erklärt, welche häufigen Biases es gibt und wie man diese vermeiden kann. (Foto: © Robert Walters)
Bei einem Vorstellungsgespräch mit einem Kandidaten ist es normal, sich schnell eine Meinung zu bilden. Aber welche Vorurteile gibt es? Wie erkennt man sie? Und wie kann man Biases im Recruiting vermeiden?
Montag, 10.11.2025, 14:27 Uhr, Autor: Sarah Hoffmann

Tom Lakin, Global Head Future of Work Advisory bei Robert Walters, erklärt: „Während eines Bewerbungsgesprächs ist es entscheidend, sich im Voraus möglicher Biases bewusst zu sein. Vorurteile schleichen sich oft unbewusst in unsere Entscheidungen ein und können die Qualität unserer Auswahl beeinflussen.“

Das sind einige häufige Arten von Biases:

1. Halo-Effekt 

Der Halo-Effekt tritt auf, wenn eine einzige positive Eigenschaft eines Kandidaten einen übermäßig positiven Gesamteindruck erzeugt und andere Aspekte überschattet.

Zum Beispiel: Wenn ein Kandidat während des Interviews sehr charismatisch ist, könnte man automatisch annehmen, dass er oder sie auch im Job erfolgreich sein wird – selbst ohne Beweise dafür.

2. Bestätigungs-Bias

Der Bestätigungs-Bias entsteht, wenn wir aktiv nach Informationen suchen, die unsere bestehenden Meinungen über einen Kandidaten bestätigen, während widersprüchliche Informationen ignoriert werden.

Wenn man zum Beispiel denkt, dass ein Kandidat aufgrund seines Lebenslaufs ungeeignet ist, achtet man im Interview möglicherweise nur auf Antworten, die diese Meinung stützen.

3. Affinitäts-Bias

Affinitäts-Bias tritt auf, wenn wir uns zu Menschen hingezogen fühlen, die uns ähnlich sind – etwa in Bezug auf Hintergrund, Interessen oder Persönlichkeit. Dies kann dazu führen, dass Recruiter Kandidaten bevorzugen, die dieselben Hobbys haben oder dieselbe Universität besucht haben, auch wenn dies für die Stelle irrelevant ist.

4. Übermäßigkeit-Bias

Der Overconfidence-Bias entsteht, wenn Recruiter zu sehr auf ihr eigenes Urteil vertrauen und wichtige Signale übersehen oder falsche Annahmen über einen Kandidaten treffen. Sich ausschließlich auf Intuition zu verlassen statt auf objektive Daten kann zu schlechten Entscheidungen führen.

5. Geschlechter-Bias

Gender-Bias tritt auf, wenn Recruiter unbewusst unterschiedliche Erwartungen an Männer und Frauen haben. Dies kann zu stereotypischen Annahmen führen, z. B. dass Männer besser für Führungspositionen geeignet seien oder Frauen weniger ehrgeizig seien.

6. Anker-Effekt

Der Anker-Effekt entsteht, wenn unser Urteil von der ersten Information beeinflusst wird, die wir erhalten, z. B. von einer vorgeschlagenen Gehaltsspanne oder einem auffälligen Merkmal im Lebenslauf. Solche „Ankerpunkte“ können die Gesamtbewertung eines Kandidaten verzerren.

7. Attributions-Bias

Der Attributions-Bias bedeutet, dass Erfolg oder Misserfolg eines Kandidaten seiner Persönlichkeit oder seinem Charakter zugeschrieben wird, während externe Faktoren ignoriert werden. Wenn ein Kandidat z. B. während des Interviews nervös wirkt, könnte dies fälschlicherweise als Inkompetenz interpretiert werden, statt als Stress durch die Situation selbst.

8. Kontrasteffekt

Der Kontrasteffekt tritt auf, wenn Kandidaten im Vergleich zueinander statt anhand der Anforderungen der Stelle bewertet werden. Ein starker Kandidat kann weniger beeindruckend wirken, wenn er direkt nach einem außergewöhnlich guten Kandidaten interviewt wird.

9. Verfügbarkeitsheuristik

Bei der Verfügbarkeitsheuristik stützen sich Recruiter auf Informationen, die leicht zugänglich oder aktuell sind, statt alle verfügbaren Daten zu berücksichtigen. Wenn sich ein Hiring Manager z. B. vor allem an den letzten Teil des Interviews erinnert, kann dies die endgültige Entscheidung unverhältnismäßig beeinflussen.

Wie kann man Biases im Recruiting vermeiden?

Biases zu reduzieren beginnt mit Bewusstsein: Anerkennen, dass jeder davon beeinflusst werden kann, und verstehen, wie diese Biases funktionieren. Schulungen zu Vielfalt und Inklusion helfen Recruitern, ihre eigenen Biases zu erkennen und damit umzugehen.
 
Darüber hinaus ist es hilfreich, strukturierte Interviews zu verwenden, bei denen jedem Kandidaten dieselben standardisierten Fragen gestellt werden und sie anhand vorher festgelegter Kriterien bewertet werden. Dies sorgt für objektive Bewertungen und reduziert den Einfluss persönlicher Präferenzen. Auch die Verwendung von Bewertungsrastern oder anderen messbaren Methoden hilft, Kandidaten auf Grundlage von Fakten und nicht von Intuition zu beurteilen.
 
Schließlich ist es wertvoll, mehrere Personen in den Auswahlprozess einzubeziehen, sodass unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt werden und individuelle Biases minimiert werden. Durch diese Maßnahmen können Sie einen faireren und inklusiveren Recruiting-Prozess schaffen. 

(Robert Walters/SAHO)

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