Fachkräftegewinnung

Blue Collar Recruiting im Gastgewerbe

Köcher verschiedener Herkunft bei der Arbeit
Gut ausgebildete Köche sind heute gefragter denn je: Blue-Collar-Teams halten den Betrieb am Laufen – oft unter hohem Zeitdruck und mit großer Leidenschaft. (Foto: © Wolfilser/stock.adobe.com)
In kaum einer Branche ist der Personalmangel so spürbar wie in Hotels und Restaurants. Moderne Strategien helfen dabei, Service-, Küchen- und Housekeeping-Teams schneller und gezielter zu besetzen. Warum zeitgemäße Methoden heute entscheidend sind – und wie Betriebe ihre Zielgruppe wirklich erreichen.
Mittwoch, 26.11.2025, 14:39 Uhr, Autor: Sarah Hoffmann

Der Begriff Blue Collar stammt ursprünglich aus den USA: Der „blaue Kragen“ stand für robuste Arbeitskleidung, die in handwerklichen, körperlichen und technischen Berufen getragen wurde. Heute beschreibt Blue Collar längst nicht mehr nur klassische Industrie- oder Bauarbeiter, sondern eine breite Zielgruppe von Menschen, die vor allem praktisch arbeiten – körperlich, serviceorientiert oder technisch. 

In Deutschland umfasst dieser Bereich einen Großteil der arbeitenden Bevölkerung – und dazu gehören auch weite Teile der Hotellerie und Gastronomie. Servicekräfte, Köche, Barkeeper, Housekeeping-Mitarbeiter und Techniker im Hotel sind typische Blue-Collar-Angestellte: Sie arbeiten selten am Schreibtisch, brauchen keine akademischen Abschlüsse, sondern Erfahrung, Belastbarkeit, Teamgeist und handwerkliche oder serviceorientierte Fähigkeiten.

Unterschiede im Recruiting

Die Unterscheidung zu White Collar (kaufmännische, administrative und akademische Tätigkeiten) ist vor allem im Recruiting relevant. Während White Collar Recruiting oft digital und formalisiert stattfindet, etwa über LinkedIn oder große Karrierenetzwerke, funktioniert die Ansprache im Blue-Collar-Bereich völlig anders.

Genau das macht die Thematik für die Branche so spannend: Sie gehört zu den größten Blue-Collar-Sektoren des Landes und gleichzeitig zu jenen mit den sichtbarsten Engpässen.

Warum Blue Collar Recruiting in der Gastronomie und Hotellerie essenziell ist

Die Herausforderungen im gewerblichen Umfeld lassen sich gut anhand der Daten aus dem „XING Bewerbungsreport 2025“ nachvollziehen. Dort zeigt sich, dass Blue-Collar-Branchen besonders lange auf Bewerbungen, Interviews und Einstellungen warten müssen – in manchen Bereichen bis zu drei Monate.

Für HOGA-Betriebe bedeutet das: Die üblichen Recruiting-Prozesse sind oft zu langsam, zu wenig sichtbar und nicht auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten.

Hinzu kommen strukturelle Faktoren:

  • Fachkräftemangel: Laut einer onlyfy-Studie berichten 93 % der befragten Recruiter von Schwierigkeiten, Blue-Collar-Positionen zu besetzen.
  • Demografischer Wandel & Trend zur Akademisierung: Weniger junge Menschen streben gewerbliche Berufe an.
  • Imageprobleme handwerklicher Tätigkeiten: In mehreren Dokumentabschnitten wird darauf verwiesen, dass die Attraktivität vieler Berufe sinkt.

Wie sich die Jobsuche im Blue-Collar-Bereich verändert hat

Blue-Collar-Fachkräfte informieren sich und bewerben sich anders als viele Arbeitgeber denken. Während die Recruitingwelt häufig von White-Collar-Trends wie „Purpose“ oder „Homeoffice“ dominiert wird, gelten im gewerblichen Umfeld ganz andere Prioritäten.

Laut einer Studie von mobileJob & JobUFO bevorzugt die Mehrheit der Blue-Collar-Mitarbeitenden mobile Bewerbungsmöglichkeiten. Bewerbungen per WhatsApp, kurze Online-Formulare oder One-Click-Bewerbungen sind in dieser Zielgruppe nicht nur akzeptiert, sondern gewünscht. Lange PDFs, Motivationsschreiben oder Passwortlogins schrecken hingegen ab.

Hinzu kommt die Frage der Sichtbarkeit. Küchenhilfen, Servicekräfte oder Housekeeping-Mitarbeiter bewegen sich selten auf Business-Plattformen – viele nutzen stattdessen Facebook, Instagram oder TikTok. Anzeigen, die dort ausgespielt werden, erreichen auch jene, die nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber einer neuen Stelle gegenüber offen wären. Das ist ein entscheidender Vorteil, denn laut verschiedenen Studien denken zwischen 37 und 48 % der Beschäftigten in Blue-Collar-Berufen über einen Arbeitgeberwechsel nach.

Das bedeutet: Die wichtigste Zielgruppe für Hotels und Restaurants sind nicht jene, die aktiv suchen, sondern jene, die grundsätzlich offen sind – aber erst erreicht werden müssen.

Authentizität statt Hochglanz

Erfolgreiches Recruiting in der HOGA beginnt mit einer Grundregel: Menschen aus Küche, Service oder Reinigung wollen echte Einblicke. Keine sterile Employer-Branding-Welt, keine gestellten Fotos. Sie möchten sehen, wie der Arbeitsplatz sich anfühlt, wie das Team miteinander umgeht und wie der Alltag tatsächlich aussieht.

Ein kurzer Blick in die Küche, ein ehrliches Mitarbeiterinterview, ein Moment im Frühstücksservice oder ein humorvoller Clip aus dem Housekeeping – solche Inhalte sind wirkungsvoller als jede perfekt produzierte Kampagne. Authentische Videos und Fotos schaffen Vertrauen und vermitteln ein realistisches Bild, das für viele Bewerber entscheidender ist als Benefits oder Schlagworte.

Gleichzeitig spielt Klarheit eine große Rolle. HOGA-Mitarbeitende schätzen Transparenz bei Themen wie:

  • Arbeitszeiten und Schichtmodellen
  • Gehalt und Zulagen
  • Teamkultur
  • Entwicklungsmöglichkeiten
  • Weiterbildung oder Spezialisierung

Wer hier klare Informationen liefert, hebt sich automatisch positiv ab – denn in vielen Stellenanzeigen fehlen genau diese Angaben.

Warum der Bewerbungsprozess die größte Hürde ist

Einer der häufigsten Gründe, warum Bewerber abspringen, ist ein zu komplizierter oder veralteter Bewerbungsprozess. Blue-Collar-Mitarbeitende möchten sich schnell bewerben können – am liebsten direkt vom Smartphone aus, ohne Dokumente sortieren oder Anschreiben formulieren zu müssen.

Viele wünschen sich die Möglichkeit, sich ohne Anschreiben oder Lebenslauf zu bewerben; One-Click-Bewerbungen und mobile Kurzformulare sind besonders beliebt.

Für HOGA-Betriebe bedeutet das konkret:

  • Ein Bewerbungsformular sollte maximal wenige Minuten dauern.
  • Pflichtfelder sollten auf ein Minimum reduziert werden.
  • Ein WhatsApp-Button auf der Karriere-Seite kann die Anzahl der eingehenden Bewerbungen steigern.
  • Nach der Bewerbung sollte eine schnelle Reaktion erfolgen – am besten innerhalb eines Tages.

In einer Branche, in der täglich neuer Druck herrscht, ist Geschwindigkeit oft der entscheidende Faktor. Wer erst nach einer Woche antwortet, hat den Kandidaten meist schon verloren.

Fazit

Hotellerie und Gastronomie gehören zu den größten Blue-Collar-Sektoren – und gleichzeitig zu jenen mit den stärksten Engpässen. Wer heute erfolgreich rekrutieren will, muss verstehen, wie diese Zielgruppe denkt, wo sie sich bewegt und was sie wirklich schätzt.

Authentizität, klare Kommunikation, mobile Bewerbungswege und ein ehrlicher Einblick in den Arbeitsalltag sind dabei entscheidender als jeder Trend im White Collar Recruiting.

Blue Collar Recruiting ist nicht nur eine Methode, sondern eine Haltung: Wertschätzung für diejenigen, die den Betrieb Tag für Tag am Laufen halten.

(Haufe/HRM/Onlyfy/Xing/SAHO)

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