Warum Karamellkekse so gefragt sind
Was früher nur an dunkle Winternachmittage denken ließ, ist jetzt ein Ganzjahresaroma: der Karamellkeks. Meist einzeln verpackt liegt das kleine Gebäck in Cafés und Restaurants neben der Tasse – als korrespondierender Keks zum Kaffee. Oft handelt es sich dabei um den sogenannten Biscoff vom Branchenriesen Lotus, der früher „Speculoos“ hieß.
Den Karamellkeksgeschmack, der an Spekulatius erinnert, gibt es inzwischen auch im Brotaufstrich, in Eiscreme, Mousse, Kuchen. Viele sagen, diese Kekse schmeckten „nach Weihnachten“. Ist jetzt das ganze Jahr Christmas?
Auch in Friseursalons, die ein Getränk anbieten, wird Karamellkeks oft serviert. Es gibt nicht nur „Biscoff“, es gibt auch Marken wie „Caramellino“ oder „Karamellgebäck“ unter dem Label „Hellma“ oder „Stereo“.
Die Backwarenkette LeCrobag hat derzeit Croissants mit Biscoff-Füllung im Angebot, andere Systemgastronomen verkaufen Zimtschnecken mit Biscoff-Crumbles. Foodblogger hypen das Produkt mit Zucker und Zimt ohnehin – für allerhand kalorienreiche Dessert-Kreationen.
Marktforscher stellen einen Spekulatius-Trend fest
Nach Absatzzahlen der Marktforscher Nielsen IQ sind Lebkuchen die Favoriten deutscher Verbraucher beim Herbstgebäck. Doch danach folgt – noch vor Stollen – der Spekulatius, der in den letzten Jahren boomte. Auch 2025 sei das Spekulatius-Segment innerhalb des Saisongebäcks bei Umsatz und Absatz bislang besonders kräftig gestiegen, heißt es von NIQ. Man könnte also sagen: Zimtiges Mürbegebäck hat derzeit einen Lauf.
Warum das so im Trend liegt? „Aktuelle Trends um Gewürzkekse appellieren an das nostalgische Gefühl vergangener Feiertage“, sagt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. „In der unsicheren und schnellen Welt von heute suchen Menschen Produkte, die ein Gefühl von Behaglichkeit vermitteln. Die Wintergewürze und vor allem Zimt sind dabei mit Komfortessen assoziiert, die Geborgenheit und Wärme spenden.“
Manuela Mahn, die eine Gewürzakademie in Bamberg führt, nennt Zimt sogar das „Gute-Laune-Gewürz“: „Der Duft von Zimt lässt den Serotoninspiegel ansteigen, so dass wir wieder bessere Laune bekommen.“ Vor allem dann, wenn die Tage kürzer werden und wir weniger Sonnenlicht haben, die Stimmung sinken könne, greife unser (Ess-)Kulturraum zu Rindengewürzen.
Keks gewordene Gemütlichkeit?
Es gebe einen allgemeinen „Trend zu markanten und eher artifiziellen Geschmäckern, da passt Zimt hervorragend“, sagt Hirschfelder. Hinzu komme ein Trend zu Produkten, die begrenzt verfügbar zu sein scheinen, eine gewisse Saisonalität transportierten: „Biscoff oder auch Pumpkin Spice werden vor allem in der Herbstsaison beworben, und das verstärkt Assoziationen mit Festen und Familienfeiern.“
Als Pumpkin Spice wird die in den USA für Kürbiskuchen ("pumpkin pie") verwendete Gewürzmischung bezeichnet. Sie besteht meist aus Zimt, Kurkuma, Ingwer, Cayennepfeffer, Nelken. Im Klischee trinkt die GenZ (Generation der heute 15- bis 30-Jährigen) gern, um nicht zu sagen: ständig, PSL – das meint Pumpkin Spice Latte, ein Kaffeegetränk mit Milch und diesen Gewürzen.
„Zimt steht heute weniger für das Exotische als eher für das Skandinavische, für ‚hygge‘ und Vertrautheit“, sagt Hirschfelder. Auf diese Weise bauten eben auch Karamellkekse eine Art Brücke zwischen Tradition und Innovation.
Der Hype um Biscoff und Co sei zudem ohne Social Media kaum zu erklären. Wer auf den sozialen Plattformen erfolgreich sein wolle, dürfe keine Fehler machen, sagt der Kulturwissenschaftler. Und diese Art Keks biete wenig Angriffsfläche, weil sie etwa vegan, laktose- und gentechnikfrei, und ja, auch recht billig beziehungsweise preiswert sei.
„Niedrigschwelliger Keks, vertraut in Geschmack und Konsistenz“
Der Biscoff-Keks erlebe wohl auch deshalb einen Hype, weil er geschmacklich eben nicht besonders neu sei, sagt Hirschfelder. In einer Zeit von Angst und Unsicherheit wollten viele „einen Anker werfen“: „am besten einen Geschmacksanker, denn der bewältigt die globale Krise, in diesem Fall mit einem Keks“.
Das kleine Gebäck sei „strukturell konservativ“, formuliert es der Wissenschaftler: ein niedrigschwelliger Keks, vertraut in Geschmack und Konsistenz. „In Zeiten permanenter Selbstkontrolle ist er klein genug, um durch das Raster der Selbstbeherrschung zu fallen.“ Das werde man doch wohl noch essen dürfen.
Hinter dem Erfolg des – wir sagen jetzt nur noch spekulatiusähnlichen - Biscoff-Kekses steckt seit Jahrzehnten eine geschickte Marketingstrategie. 1932 auf dem Land in Flandern gegründet, wurde der Speculoos-Keks ab den 50er Jahren gezielt in Gaststätten und Cafés als Plätzchen zum Kaffee platziert.
Relevanz für die Gastronomie
Für das Gastgewerbe sollte der anhaltende Hype um Biscoff und spekulatiusähnliche Karamellkekse nicht vernachlässigt werden. Gastronomiebetriebe könnten auf den Trend aufspringen und ebenfalls mit entsprechenden neuen Produktentwicklung bzw. einer erweiterten Sortimentsgestaltung neue Gäste anlocken und Stammgäste weiter binden. So kann der charakteristische Keks nicht nur als Beigabe zum Kaffee funktionieren, sondern auch in Form von Füllungen, Toppings, Cremes oder saisonalen Specials zusätzliche Umsatzpotenziale schaffen.
(dpa/SAKL)