Kommentar

Sind Gastronomen Freiwild im Netz?

Schwarze Frau in einem Lokal
Ohne die Verantwortlichen im Lokal damit zu konfrontieren, in aller Öffentlichkeit die Rassismuskarte zu spielen, weil man gefühlt eine Ewigkeit von einem Kellner ignoriert wurde, mag aus Sicht der Betroffenen (Symbolbild) nachvollziehbar sein, fair gegenüber der anderen Seite ist es jedenfalls nicht. (© ezell hudson/stock.adobe.com)
Im Mittelalter diente der Pranger am Marktplatz dazu, vermeintliche Bösewichte bloßzustellen. Heute wird sowas über soziale Medien erledigt. Betroffene haben wie damals kaum Chancen, sich zu wehren.
Montag, 13.07.2020, 12:27 Uhr, Autor: Clemens Kriegelstein

Rund zwei Wochen ist es her, dass eine schwarze Frau in einem Wiener Traditionsgasthaus zu Gast war und dieser Besuch für einen kräftigen Shitstorm in den sozialen Medien gesorgt hat. Was ist geschehen? Besagte Frau saß mit ihrem (weißen) Begleiter im Gastgarten, beide bestellten zu trinken und wurden auch bedient. Danach gehen die Schilderungen auseinander. Die Frau behauptete in der Folge, aufgrund ihrer Hautfarbe danach vom Personal demonstrativ ignoriert worden zu sein bis ihr „schon die Tränen gekommen sind“, obwohl sie auch zu essen bestellen wollte. Im Lokal will man das so natürlich nicht stehen lassen. Die Frau und ihr Begleiter hätten zu trinken bestellt und wollten mit dem Essen noch etwas warten, plötzlich seien sie aber aufgestanden und gegangen. Gegen rassistische Tendenzen wehrt sich die Betreiberin nach Kräften. Sie beschäftige Mitarbeiter aus Kroatien, Serbien, der Slowakai, aus Spanien und aus Tobego, bei ihr sei jeder Gast willkommen. Im Gegenteil: Erst vor wenigen Wochen habe sie eine Veranstaltung der „Identitären“ in Ihrem Lokal abgesagt, weil sie eben mit rechter Ideologie nichts am Hut habe – und entsprechend Ärger aus dieser politischen Ecke bekommen.

So weit, so gut: Ein Gast sitzt in einem Lokal, wird gefühlt über eine halbe Stunde vom Personal ignoriert und ist logischerweise verärgert. Ist vermutlich jedem schon mal passiert. Im Idealfall sucht man noch vor Ort das Gespräch mit dem Personal oder gleich dem Geschäftsführer, viele schlucken auch den Ärger hinunter und gehen einfach nie wieder in das Lokal. Oder man ist eine schwarze Gewerkschafterin, die das einer sattsam bekannten und medientechnisch versierten Kollegin erzählt, die daraufhin einen Tweet absetzt, in dem der Name des Gasthauses genannt wird samt dem Vorwurf, ihre „liebe Freundin und Kollegin“ wurde in diesem Gasthaus „nicht bedient weil sie schwarz ist. Ich finde ihr solltet das wissen.“ Der Vorwurf des Rassismus als Tatsachenmitteilung. Der journalistische Grundsatz von Check-Recheck-Doublecheck, das schon im alten Rom geforderte Verfahren, nach dem „auch die andere Seite gehört werde“? Wen interessierts? In Zeiten von „Mee too“ und „Black lives matter“ sind Sexismus- und Rassismuskeulen schneller bei der Hand als Lucky Luke seinen Colt ziehen konnte. Dass man mit solchen Aktionen einen Gastronomiebetrieb (der vermutlich ohnehin derzeit ums Überleben kämpft) leicht ruinieren kann – zumindest bleibt die Hoffnung, dass das nicht die Intention besagter Gewerkschafterin war. Dass ein Gesprächsangebot der Gastronomin von der Betroffenen fürs Erste abgelehnt wurde, sagt aber auch Einiges…

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