7-Prozent-Mehrwertsteuer ab 2026: Warum Restaurants ihre Preise nicht anpassen
Die zur Corona-Pandemie beschlossene Mehrwertsteuersenkung auf 7 Prozent entlastete die Gastronomiebranche in Deutschland. Seit Januar 2024 müssen Restaurants jedoch wieder 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen vor Ort abführen, was Preise spürbar steigen ließ. Hochschule-München-Professor Matthias Firgo von der Fakultät für Tourismus hat in einer neuen Studie die Preis-Effekte der Mehrwertsteueranpassung wissenschaftlich analysiert.
Der methodische Ansatz der Studie war es, den Effekt der Mehrwertsteuererhöhung herauszufiltern. Im Fokus stand die Frage, wie sich die Preise in der Gastronomie ohne Steuererhöhung entwickelt hätten, also nur durch die übrigen Einflussfaktoren wie Konjunktur, allgemeine Inflation oder Konsumstimmung.
Das Ergebnis? Ohne die Steueranpassung wären die Gastropreise 2024 durch sinkende Inflation und Konjunkturflaute weitgehend stabil geblieben – trotz Großveranstaltungen wie der Fußball-EM 2024. Laut Firgos Berechnungen schlug die Steuererhöhung insgesamt 8 Prozent auf die Gastronomiepreise. Hätten Gastronomiebetriebe die Steuererhöhung in vollem Umfang auf die Gäste umlegen können, wären die Preise laut Firgo sogar um gut 11 Prozent gestiegen.
Im Interview mit HOGAPAGE macht der Professor für Volkswirtschaftslehre und Studiengangsleiter Masterstudium „Strategie & Innovation im Tourismus“ der Hochschule München deutlich, dass die Belastung ungleich verteilt ist und spricht über die von ihm erwarteten Effekte einer erneuten Steuersenkung.

Herr Prof. Dr. Firgo, Sie haben den Effekt der Mehrwertsteuererhöhung analysiert. Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Die Studienergebnisse zeigen einen Anpassungspfad der Gastropreise ab Ankündigung der Rückkehr zu 19 Prozent im November 2023. Im Januar 2024 wurden etwa 30 Prozent der zusätzlichen Steuerlast in Form von höheren Preisen an die Gäste weitergegeben. Im Laufe des Jahres stiegt dieser Anteil kontinuierlich an und pendelte sich im letzten Quartal 2024 bei 70 Prozent ein. In einem Beispiel ausgedrückt: Bei einem Nettopreis einer Speise von 10,00 Euro betrug der Bruttopreis bei 7 Prozent Mehrwertsteuer 10,70 Euro. Damit der Nettopreis bei 10,00 Euro bleibt, müsste der Bruttopreis bei 19 Prozent Mehrwertsteuer auf 11,90 Euro steigen. Laut Studienergebnissen konnten die Betriebe den Bruttopreis im Schnitt aber nur auf 11,50 EUR erhöhen. 80 Cent tragen in diesem Beispiel die Konsumenten in Form höherer Bruttopreise, 40 Cent die Betriebe in Form niedrigerer Nettopreise.
Laut Ihren Berechnungen schlug die Steuererhöhung insgesamt 8 Prozent auf die Gastronomiepreise. Inwiefern war diese Preiserhöhung der Gastronomen gerechtfertigt?
Bei vollständiger Überwälzung der Steuererhöhung auf die Konsumenten wären die Preise um 11,2 Prozent gestiegen. In einem Wettbewerbsmarkt wie der Gastronomie, mit unzähligen Anbietern ohne relevante Marktanteile bzw. Marktmacht, gibt es aus meiner Sicht so etwas wie ungerechtfertigte Preiserhöhungen nicht. Einzelne Anbieter haben wenig Spielraum, im Alleingang einfach so die Preise zu erhöhen und unlautere Absprachen sind aufgrund der Vielzahl an Bewerbern de facto unmöglich. In der Gastronomie ergeben sich Marktpreise aus Angebot und Nachfrage. Das Ausmaß möglicher Preissteigerungen wird maßgeblich von der Preissensibilität der Nachfrageseite bestimmt. Je weniger preiselastisch die Nachfrage reagiert, umso mehr können höhere Kosten oder Steuern an die Konsumenten weitergegeben werden. Die jüngsten Preissteigerungen und der vergleichsweise hohe Grad der Steuerüberwälzung von 70 Prozent sprechen zumindest für den Zeitraum bis Ende 2024 für eine vergleichsweise geringe Preissensibilität der Gastro-Besucher im Vergleich zu internationalen Studien vor der Pandemie.
Wenn die Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2026 nun wieder auf 7 Prozent sinkt. Welche Effekte erwarten Sie dann?
Erfahrungen aus früheren internationalen Studien zeigen, dass Steuersenkungen in aller Regel zu geringeren Anteilen an die Konsumenten weitergegeben werden als Steuererhöhungen. Das ist allerdings kein Gastronomie-spezifisches Phänomen, sondern das wird allgemein beobachtet. Ich rechne also nicht damit, dass die Preise spürbar sinken werden. Eher ist zu erwarten, dass sich die Preissteigerungen verlangsamen.
Warum werden Steuersenkungen denn in der Regel zu geringeren Anteilen an die Konsumenten weitergegeben als Steuererhöhungen?
Preisanpassungen sind mit Aufwänden verbunden. Bei Steuererhöhungen haben Unternehmen unmittelbare Anreize, die Preise anzupassen, um Gewinnmargen aufrecht zu erhalten. Die Kosten einer Nichtanpassung würden schnell diese Anpassungskosten übersteigen. Umgekehrt entscheiden sich Unternehmen bei einer Senkung der Mehrwertsteuer eher dafür, die Preise nicht aktiv zu senken, sondern abzuwarten, sodass sich die realen Preise durch Inflation über die Zeit hinweg von selbst anpassen, ohne dass Anpassungskosten anfallen. Vor allem Unternehmen mit geringen Margen zeigen laut internationalen Studien eine besonders stark ausgeprägte Asymmetrie in der Weitergabe von Steuererhöhungen und Steuersenkungen.
Und wie sollten Gastronomiebetriebe nun auf die für 2026 vorgesehene Steuersenkung reagieren – gerade auch, um das Vertrauen der Gäste nicht zu enttäuschen?
Ich bin als Volkswirt von Berufs wegen zwar „Wirt“, aber kein Gastwirt. Für praktische betriebswirtschaftliche Empfehlungen sind also Unternehmensberater, Praktiker und Branchenverbände die besseren Ansprechpartner. Aus meiner Sicht als Beobachter und Gast ist es für das Vertrauen aber jedenfalls wichtig, dass Preise und Qualität sich nicht in unterschiedliche Richtungen entwickeln. Wenn das Schnitzel teurer wird, sollten auch Qualität und Größe des Schnitzels zumindest stabil bleiben. Das gilt insbesondere auch für die Servicequalität.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Prof. Dr. Firgo!
(SAKL)