BGH-Urteil

Brötchenverkauf am Sonntag ganztags erlaubt

Bäcker packt Sesambrötchen ein
Wer in seiner Bäckereifiliale zusätzlich ein Café betreibt, der darf künftig den ganzen Tag seine Backwaren verkaufen. (Foto: © Kzenon)
Wer eine Bäckereifiliale mit angeschlossenem Café betreibt, darf künftig den ganzen Sonntag Brot und Brötchen verkaufen. Das legte jetzt der BGH in einem bundesweit gültigen Urteil fest.  
Freitag, 18.10.2019, 09:27 Uhr, Autor: Kristina Presser

Bäckereien dürfen am Sonntag ganztags Brötchen, Brezen und Co. verkaufen – allerdings nur in Filialen mit angeschlossenem Café. Das urteilte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Er entschied, dass solche Bäckereicafés als Gaststätten zählten, wobei Brot und Brötchen als „zubereitete Speisen“ gelten (Az. I ZR 44/19). Ausgangspunkt war, dass die Wettbewerbszentrale bei verschiedenen Bäckereien Verstöße gegen die Öffnungszeiten beobachtet hatte – unter anderem beim bayerischen Backwaren-Hersteller Ratschiller. Um die Frage rechtlich klären zu lassen, verklagte sie Ratschiller bis vor den BGH. Da der Sonntag im Bäckereiwesen inzwischen einer der stärksten Verkaufstage sei, müssten „hier gleiche Marktbedingungen herrschen“, sagte Andreas Ottofülling aus dem Münchner Büro der Wettbewerbsschützer. Wie lange Bäckereien sonntags ihre Brötchen verkaufen dürfen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Am großzügigsten sind die Vorschriften in Berlin, dort dürfen Bäckereien von 7 bis 16 Uhr öffnen, bis zu neun Stunden. In Bayern sind nur drei Stunden erlaubt.

Laut Vorsitzendem Richter Thomas Koch, heißt es in der Urteilsverkündigung des BGH, Brot und Brötchen würden aus Mehl, Wasser, Hefe und Salz gemacht und dann noch gebacken – damit handele es sich um „essfertig gemachte Lebensmittel“. Es komme nicht darauf an, ob die Waren direkt im Café oder woanders gebacken werden. Brot darf auch im ganzen Laib abgegeben werden. Wichtig ist den Richtern nur, dass der Kunde „zum sofortigen Verbrauch“ einkaufe. Gaststättenrecht ist zwar Ländersache. Bei der entscheidenden Passage gibt es aber keine Unterschiede. Das Urteil gilt daher bundesweit.

Es geht um die Existenz

Bei Ratschiller ist man erleichtert. „Als reiner Bäcker könnten wir heutzutage nicht mehr überleben“, sagt Geschäftsführer Bernhard Auracher. „Man muss halt einfach mit der Zeit gehen.“ Der Sonntag sei der einzige Tag, an dem Familien noch Ruhe fürs gemeinsame Frühstück hätten. „Ich will die nicht begrenzen, dass sie in der Früh um sieben oder um acht Uhr oder um zehn Uhr ihre Semmeln holen.“ Dann könne es schnell passieren, dass Kunden zur Tankstelle ausweichen.

Die Wettbewerbszentrale sieht mit dem Urteil Rechtsklarheit hergestellt. Jetzt müssten sich die Landesgesetzgeber fragen, ob sie etwas ändern wollen, sagt Ottofülling. Noch liege die schriftliche Begründung nicht vor. Aber es sehe so aus, als ob kleinere Bäcker nun nur ein paar Tische und Stühle aufstellen und ein Café anmelden müssten, um länger Sonntagsbrötchen verkaufen zu dürfen.

Verband begrüßt Urteil

Der Zentralverband des Deutschen Bäckereihandwerks sieht die Position der Handwerksbäckereien gestärkt. Bisher hätten sie tatenlos zusehen müssen, wie „Tankstellen, Bahnhofssupermärkte und Co. 365 Tage im Jahr Industriebackwaren verkaufen“, erklärt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Er stellt aber auch klar: „Kein Betrieb ist durch dieses Urteil gezwungen, am Sonn- oder Feiertag zu öffnen.“ Letztendlich müsse jeder Bäcker für sich entscheiden, ob er das möchte. (dpa/KP)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Bäcker knetet Teig
Reaktion auf BGH-Urteil
Reaktion auf BGH-Urteil

Bäcker wollen sonntags länger arbeiten dürfen

Seit Kurzem dürfen Bäckereicafés sonntags den ganzen Tag Brot, Brezen und Co. verkaufen. Der Bäckerinnungsverband Hessen plädiert nun auch für ein entsprechend modernisiertes Arbeitszeitgesetz.
Drei Brezeln
Kurioser Feiertag
Kurioser Feiertag

Wissenswertes zum Tag der Brezel

Zwei Ärmchen, ein Knoten und ein Bauch – so ist die Brezel bei Jung und Alt bekannt. Am 26. April steht das Laugengebäck im Mittelpunkt. Denn dann ist Tag der Brezel. Aber wie ist dieses Gebäck überhaupt entstanden und welche kulinarischen Gerichte kann man aus dem Backwerk alles herstellen? 
Dietmar Woidke von Landesverband der Bäcker und Konditoren geehrt.
Auszeichnung
Auszeichnung

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke von Bäckern geehrt

Für politische Verdienste ausgezeichnet: Der Landesverband der Bäcker und Konditoren zeigte sich bei Brandenburgs Ministerpräsidenten erkenntlich. Der freute sich über die nette Geste. 
Lila Bäcker geht neue Wege.
Digitalisierung
Digitalisierung

Lila Bäcker: Krisenmanagement am Puls der Zeit

Die Treibstoffpreise haben sich seit 2021 verdoppelt, Energiepreise vervierfacht und Personal ist knapp. Dies kann nur durch ständige Optimierung und neue Ideen ausgeglichen werden. Deshalb testet Lila Bäcker jetzt ein neuartiges Konzept.
Alfons Schuhbeck
Revision
Revision

Alfons Schuhbeck jetzt Fall für Bundesgerichtshof

Entkommt Alfons Schuhbeck dem Gefängnis? Das Landgericht München I hatte ihn vergangenes Jahr zu einer Haftstrafe verurteilt. Gegen das Urteil hat der Koch Revision eingelegt. Jetzt geht der Fall in die nächste Instanz.
In Kaysersberg hat Olivier Nasti "La Boulangerie Levain" eröffnet. (Fotos: © ILYA KAGAN)
Handwerkskunst
Handwerkskunst

Olivier Nasti eröffnet Boulangerie in Kaysersberg

Brote aus Natursauerteig, süße Gebäckstücke, traditionelle Gugelhupfs – all das bietet die neue Bäckerei von Spitzenkoch Olivier Nasti. Die Idee zur Eröffnung von „La Boulangerie Levain“ entstand durch ein Zusammentreffen mit einem Bäcker aus Bas-Alpes.
Cem Özdemir beim Brezelbacken
Bäckerhandwerk
Bäckerhandwerk

Cem Özdemir setzt sich für Brezelbacken als immaterielles Kulturerbe ein

Die Brezel soll immaterielles Kulturerbe der Unesco werden. Die baden-württembergische Bäckerinnung hat zunächst den Antrag gestellt, das traditionelle Handwerk des Brezelbackens auf die nationale Anwärterliste für das immaterielle Kulturerbe zu setzen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir unterstützt das Vorhaben.