Recht

Dehoga begrüßt Corona-Urteil gegen Versicherungen

Ein leeres Restaurant
In der Corona-Zeit mussten viele Lokale schließen. Jetzt hatte erstmals ein Wirt Erfolg mit einer Klage gegen die Versicherung. (©maxdigi/stock.adobe.com)
Nachdem der Augustinerwirt Christian Vogler vor Gericht Recht bekam, dass die Versicherung für seine Betriebsschließung aufkommen muss, wächst auch die Zuversicht anderer Gastwirte. Doch auch die Versicherer geben sich noch nicht geschlagen.
Freitag, 02.10.2020, 09:30 Uhr, Autor: Thomas Hack

Nachdem bundesweit zahlreiche Klagen gegen zahlungsunwillige Versicherungen bei Betriebsschließungen erhoben wurden, hat das Münchner Landgericht erstmals einem klagenden Gastwirt die geforderte Millionensumme zugesprochen. Laut Urteil muss die beklagte Versicherungskammer die Kosten von 30 Tagen coronabedingter Betriebsschließung an den Pächter des Münchner Augustinerkellers zahlen – exakt 1,014 Millionen Euro. Und hunderte ähnliche Klagen gegen Versicherungen sind noch anhängig – auch gegen den Marktführer Allianz. Folge der Münchner Entscheidung könnte nach Einschätzung des siegreichen Wirts eine zweite Klagewelle sein: Viele Wirte hätten nicht das Geld, um sich einen Prozess zu leisten, sagte der Pächter des Münchner Augustinerkellers. „Für die haben wir jetzt Vorarbeit geleistet.“ Viele Gastronomen seien in ihrer Existenz bedroht. „Jetzt ist endlich mal ein Richter da, der sagt: Es ist Unrecht, was ihr da macht.“

Versicherung gibt sich noch nicht geschlagen

Ähnlich sieht es der Dehoga: „Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, vermittelt es dennoch Hoffnung für viele tausende Unternehmer, die sich bislang von ihrer Versicherung mit einer Verweigerungshaltung konfrontiert sehen“, ließ  Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dazu verlauten. Rechtskräftig ist die Entscheidung nicht, die unterlegene Versicherungskammer will sich auch nicht geschlagen geben. In dem Urteil geht es um eine Police, in der die Betriebsschließung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes ausdrücklich gedeckt ist. Der Chef des Augustinerkellers hatte den Vertrag überhaupt erst am 5. März unterschrieben, weil er sich gegen eine coronabedingte Schließung absichern wollte. Die Versicherungskammer will dennoch nicht zahlen, weil der Schutz nach Auffassung des Unternehmens nur für Krankheiten und Erreger gilt, die in dem Vertrag ausdrücklich genannt sind. Covid-19 zählt nicht dazu.

„Bringschuld liegt beim Versicherer“

Das Gericht sieht das Ganze jedoch anders: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz seien in dem Vertrag abgesichert, sagte die Vorsitzende Richterin Susanne Laufenberg. Ob Covid-19 ausdrücklich erwähnt ist oder nicht, spielt laut Urteil keine Rolle. Die Bringschuld für allgemeinverständliche Verträge liegt demnach beim Versicherer: „Wir sind der Meinung, dass man von einem Versicherungsnehmer nicht erwarten kann, dass ihm das Infektionsschutzgesetz geläufig ist“, sagte die Richterin dazu. Der siegreiche Wirt beschuldigte anschließend die Chefetagen der Versicherer, eigene finanzielle Interessen über diejenigen der Kunden zu stellen: „Es ist wirklich eine Schweinerei, finde ich, dass man diese Leute (die Wirte) an die Wand fährt, um sich höhere Boni einzustreichen“, sagte Vogler. Allianz-Chef Oliver Bäte und einige andere Spitzenmanager der Branche hingegen argumentieren, dass sie nur für ausdrücklich versicherte Schäden zahlen können, da das Geschäft ansonsten zu nicht mehr kalkulierbaren finanziellen Risiken führen würde.

Intransparente Versicherungsbedingungen

Auch die Allianz muss in München Niederlagen fürchten, da deren Versicherungsbedingungen ähnlich formuliert sind: Schließungen nach Infektionsschutzgesetz sind versichert, der Covid-19-Erreger ist aber nicht ausdrücklich genannt. Die Kammer hat in mehreren mündlichen Verhandlungen die Versicherungsbedingungen beider Unternehmen als „intransparent“ kritisiert. Doch bedeutet der Erfolg des prominenten Münchner Wirts keineswegs, dass alle verklagten Versicherungen vor Gericht unterliegen müssten, weder in München noch anderswo. Klar ist lediglich, dass sowohl die Versicherungskammer als auch die Allianz im heimischen München mit allen gleichlautenden Betriebsschließungspolicen schlechte Chancen haben. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft GDV betonte dementsprechend: „Es kommt im Einzelfall auf den genauen Wortlaut der Versicherungsbedingungen an.“ Auch wenn es noch Jahre dauern könnte, bis es rechtskräftige Urteile gibt, haben die Prozesse jetzt schon Folgen: Die Versicherer wollen ihre Policen verständlicher formulieren. „Wir müssen von vornherein noch klarer kommunizieren, was versichert ist und was nicht“, sagte eine GDV-Sprecherin. „Ein Expertenkreis arbeitet an dieser Aufgabe und verfolgt das Ziel, die Arbeiten bis Jahresende abzuschließen.“ (dpa/TH)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Ein Kellner im Restaurant
Bilanz
Bilanz

„Corona-Regeln von Gästen akzeptiert“

Mehr als 90 Prozent aller Restaurantgäste haben Verständnis für die Corona-Regeln in den Lokalen. Dies macht eine aktuelle Umfrage des Dehoga deutlich.
In Bayern wurde die Isolationsplficht für Covid-Infizierte abgeschafft.
Coronaregeln
Coronaregeln

Keine Covid-Isolation mehr in vier Bundesländern

In einigen Bundesländern wurde jüngst die Isolationspflicht für Corona-Infizierte abgeschafft. Schutzmaßnahmen müssen aber weiterhin eingehalten werden. Gibt es Sonderregeln für das Gastgewerbe?
Corona Nachwirkungen
Corona Nachwirkungen

Hotellerie: die Geschäftsreisen fehlen

Ausbleibende Geschäftsreisen und das fehlende Messegeschäft erschweren Hotels, Pensionen und Gaststätten laut dem Branchenverband Dehoga nach der Corona-Pandemie den Neustart. Die Sorge der Betriebe: Manche Probleme könnten noch länger bleiben.
Mietvertrag, Schlüssel und Stift
BGH-Urteil
BGH-Urteil

Keine faire Risikoverteilung bei Mietzahlungspflicht

Durch das BGH-Urteil zur Mietzahlungspflicht während Corona wird das Risiko nicht fair zwischen Mieter und Vermieter verteilt, meint der Dehoga NRW. Der Branchenverband fordert eine Stundungsverlängerung über 2022 hinaus.
Personal Service
Personalmangel
Personalmangel

Not bei Großveranstaltungen

Der Dehoga Branchenverband in Hessen blickt bevorstehenden Großevents mit Sorge entgegen: Es fehlt dem hiesigen Gastgewerbe an Personal und auch Lehrplätze bleiben unbesetzt.  
Lindau
Lockerungen
Lockerungen

Wirte am Bodensee fürchten „totales Chaos“

Biergarten-Besuch am Bodensee? In Konstanz und Lindau erlaubt, in Überlingen und Friedrichshafen verboten. Gastronomen fordern eine Angleichung der Regeln.
Gastronomin desinfiziert Tische
Pandemiebekämpfung
Pandemiebekämpfung

Sinnvolle Regeln statt Inzidenzwerte

Der Dehoga Rheinland-Pfalz stellt sieben Forderungen an die Politik. So sollen unter anderem Hotels und Gastronomie für alle Geimpften, Genesenen und negativ Getesteten geöffnet werden und Inzidenzen nicht im Fokus der Pandemiebekämpfung stehen.