Gastronomen ziehen gegenüber Anrainern immer öfter den Kürzeren
Es muss nicht gleich so extrem sein wie in einem Wiener Vorort, wo vor wenigen Monaten eine Frau mehrmals die Polizei wegen Lärmbelästigung am helllichten Nachmittag gerufen hat. Grund für die Polizeieinsätze jeweils: Der Wirt im Lokal unter ihr hat Schnitzel geklopft – was er im Rahmen der gesetzlichen Öffnungszeiten selbstverständlich weiterhin darf.
In Heidelberg haben jetzt allerdings Anrainer vor Gericht einen für die örtliche Gastronomie bedenklichen Sieg errungen. Wegen lärmbedingter Gesundheitsgefahren hätten die klagenden Bürger einen Anspruch auf striktere Schließzeiten für die Gastronomie, teilte das Verwaltungsgericht Karlsruhe vor wenigen Tagen mit. Demnach müssten sämtliche Gastrobetriebe künftig unter der Woche um Mitternacht zusperren, am Wochenende um 2:30 Uhr. Derzeit müssen die Gastwirte sonntags bis donnerstags um 1.00 Uhr ihre Gäste nach Hause schicken, von Donnerstag auf Freitag um 3.00 Uhr. In den Nächten zum Samstag und Sonntag beginnt die Sperrzeit um 4.00 Uhr.
Problematische Präjudiz-Funktion
Noch ist dieses Urteil zwar nicht rechtskräftig, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wird die Berufung zugelassen, wenn es aber hält, kann man sich ausmalen, was das für den Umsatz der betroffenen Gastronomen bedeutet und welche Präjudiz-Funktion dieses Urteil auch für andere Gemeinden haben könnte.
In Österreich hat die Branche gerade ähnliche Sorgen. Das ab November geltende Rauchverbot in der Gastronomie wird rauchende Gäste vermehrt ins Freie treiben, der Lärmpegel (für den der Wirt zur Verantwortung gezogen werden kann) für die Anrainer wird steigen, Anzeigen, Gerichtsverfahren und eine Vorverlegung der Sperrstunde werden die Folge sein. Speziell für Clubs, Bars, Discos und andere Nachtgastronomie kann eine gerichtlich angeordnete Sperrstunde um Mitternacht oder vielleicht sogar schon um 23 Uhr leicht zum Todesurteil werden.
Klagen über Klagen
Das Rauchverbot in Österreich wird jedenfalls ebenso wie das Karlsruher Urteil für jede Menge weiterer Klagen von Anrainern sorgen. Schließlich möchte zwar jeder im Stadtzentrum leben und eine blühende Gastronomie ist auch toll, aber bitte nicht in meiner unmittelbaren Umgebung. Genau da möchte jeder eine Wohnstraße ohne Durchzugsverkehr und sonstige Lärmquellen haben.
Gerichte neigen jedenfalls im Moment dazu, das Recht auf Ruhe von Anrainern höher zu bewerten als das Recht auf freie Geschäftsausübung von Gastronomen. Und das birgt jede Menge Zündstoff. Wenn dann das letzte Gasthaus/die letzte Bar geschlossen haben wird, wird das große Lamentieren einsetzen, wie schlimm das Wirtesterben ist und wie es soweit kommen konnte…