Gesetze

Haben ehrliche Gastronomen überhaupt eine Chance?

Mann läuft über anderen Mann, welcher mit seinem Körper eine Brücke zwischen zwei Felsen spannt
Haben Gastronomen, die sich an das Arbeitszeitgesetz halten überhaupt eine Chance? (Foto: © Photocreo Bednarek / fotolia)
Eine aktuelle Dehoga-Umfrage schlägt Alarm. Personal und Gehälter werden weniger, die Anzahl der Ruhetage steigt. Wer sich als Gastronom an das Gesetz hält, scheint nicht überleben zu können.
Freitag, 24.03.2017, 11:06 Uhr, Autor: Markus Jergler

„Weniger Umsatz, weniger Gehalt, schlechte Stimmung,“ so bezeichnet Barjinder Sodhi die aktuelle Situation seines Berliner Restaurants „Neumanns“ gegenüber der Welt. Das liege jedoch nicht an fehlenden Gästen. Die Tourismussituation in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren stark verbessert, immer mehr Besucher kommen in die Bundesrepublik. Das bedeutet teilweise ein erhöhtes Gästeaufkommen für gastronomische Betriebe. Doch profitieren können diese laut der Welt davon nicht. Grund sei das starre und unflexible Arbeitszeitgesetz. Wer sich als Gastronom an das Gesetz hält, kann sein Geschäft nicht erfolgreich führen, so scheint es.

Diese Behauptungen werden unterstützt von einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) – wir haben berichtet. 54,2 Prozent der Unternehmen haben demnach ihre Öffnungszeiten reduziert. 50,4 Prozent der gastronomischen Betriebe mussten ihr Leistungsangebot einschränken. Darunter fallen Küchenzeiten, Speiseauswahl, Veranstaltungen, Mittagstisch oder Cateringangebote. Bei 32,5 Prozent aller Lokale wurde die Zahl der Ruhetage erhöht. „Die Zahlen untermauern dramatisch, wie sehr das starre Arbeitszeitkorsett dem Gastgeber-Standort schadet“, so Dehoga-Präsident Guido Zöllick. „Es geht nicht um mehr Arbeit“, betont Zöllick, „sondern um eine bessere Verteilung der Arbeitszeit. Gesundheitsschutz, Jugendarbeitsschutz und Mindestruhezeiten bleiben gewahrt.“ „Die Arbeitszeitdokumentation und die intensiven Kontrollen haben unserer Branche einen enormen bürokratischen Aufwand beschert“, stimmt auch Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zu.

Der Hauptkritikpunkt der Branchenmitarbeiter ist die gesetzliche Regelung, dass Küchen- und Servicepersonal maximal nur acht Stunden pro Tag – in Ausnahmefällen zehn Stunden – arbeiten darf. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagt Zöllick. Der Dehoga möchte mit seiner bundesweiten Kampagne erreichen, dass es keine tagesbezogene Höchstarbeitszeit mehr gibt, sondern eine wöchentliche Maximalzeit eingeführt wird. Dies sei laut EU-Arbeitszeitrichtlinie auch möglich. Laut dem Dehoga würde der Wunsch nach längeren Arbeitszeiten pro Tag teilweise von den Arbeitnehmern selbst kommen.

Gewerkschaften sind gegen Gesetzesänderung

„Übermäßiger Zeitdruck, ständige Überstunden, Nichteinhaltung von Pausen: Das alles gibt es schon heute und das macht die Menschen krank“, sagt Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung Genuss- Gaststätten Michaela Rosenberger der Welt. Guido Zeitler wirft dem Dehoga sogar Unehrlichkeit vor. „Viele Tarifverträge sehen sogar die Einrichtung von Jahresarbeitszeitkonten vor“, so Zeitler. „Daher wird die Debatte seitens des Dehoga nicht ehrlich geführt.“ Laut der NGG gehe es den Arbeitgebern vor allem darum, die Arbeitnehmer jeden Tag noch länger arbeiten zu lassen.

Anstelle von längeren Arbeitszeiten sollen lieber besser Arbeitsbedingungen geschaffen werden. „Es sind schlicht die Leute nicht mehr da, die bei Einhaltung der gesetzlichen Grundlagen diese langen Öffnungszeiten abdecken können“, sagt Zeitler. (Welt.de/MJ)

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