Rücktritt

Politisches Erdbeben in Italien

Matteo Renzi
(c) Alessandro Di Meo / dpa
In Italien ging es am zweiten Adventssonntag wenig besinnlich zu. Das „Nein“ zu der geplanten Verfassungsreform veranlasste Premierminister Matteo Renzi zum Rücktritt – ein Rechtsruck mit dramatischen Folgen für den Tourismus droht.
Montag, 05.12.2016, 11:39 Uhr, Autor: Felix Lauther

Nach dem gestrigen Referendum in Italien sind die Wogen in der drittgrößten Wirtschaftskraft Europas alles andere als geglättet. Nach dem „Nein“ zu einer grundlegenden Verfassungsreform wird im Zuge der Neuwahlen ein politischen Rechtsruck des Landes von Medienbeobachtern befürchtet. Eine von Matteo Renzi initiierte Reform hätte die zwei Kammern des Parlaments neugeordnet, die Kammer des Senats wäre deutlich verkleinert sowie deren Gesetzgebungskompetenz beschnitten worden. Das hätte zur Folge gehabt, dass der Senat sein Veto-Recht bei Gesetzesvorhaben der Regierung entscheidend einbüßt. Die Regierungspartei, die als stärkste Kraft aus den Wahlen hervorginge, würde dann 55 Prozent der Sitze in der Kammer beanspruchen und hätte seine Machtposition gegenüber dem regulierenden Senat deutlich gestärkt. All das ist nun Makulatur, denn die Italiener haben sich gegen die Verfassungsreform entschieden und der Regierung Renzis die lange Nase gezeigt.

Wer regiert in Italien zukünftig?
Matteo Renzi hatte bereits vor dem Referendum angedeutet, als Ministerpräsident zurückzutreten. Er blieb sich treu und wird für weitere Amtsgeschäfte nicht mehr zur Verfügung stehen. Bei den Neuwahlen räumen Experten rechtspopulistischen Gruppierungen große Chancen ein – ähnlich wie in Frankreich, Ungarn und den USA. Die größten Chancen auf den Regierungsmacht in Italien werden Beppo Grillo und seiner eurofeindlichen 5-Sterne-Bewertung eingeräumt. Grillo will den Euro abschaffen und macht sich für eine eigene Landeswährung stark. Seine Partei steht, ähnlich den Regierungen in Ungarn (Fidesz – Ungarischer Bürgerbund), Frankreich (Front Nationale) und den USA (Republikaner unter Donald Trump) für eine strikte Asylpolitik, protektionistische Wirtschaftsbestimmungen und eine außenpolitische Abschottung.

Was bedeutet der Rücktritt Renzis für das europäische Gastgewerbe?
Erreichen politische Hardliner wie Beppo Grillo bei Neuwahlen die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus in Rom hätte dies weitreichende Folgen für den Tourismus im In- und Ausland. Tritt Italien wie Großbritannien aus der europäischen Union aus, bedeute dies auch einen Austritt aus der Währungsunion – sprich, dem Euro.

  • Folgen für Italiens Gastronomen und Hoteliers: Den Wechselkurs würden Urlauber in Italien sofort bei der Einreise positiv registrieren. Die Einführung der Landeswährung würde nämlich zunächst zu einer Abwertung gegenüber dem Euro führen. Das Gastgewerbe in Italien profitiert dann sogar von der schwachen Währung, weil der Euro in Italien mehr wert wäre und somit z. B. deutsche Touristen in Italien günstiger essen, trinken und schlafen könnten. Auf den italienischen Inlandstourismus hätte die Einführung einer Landeswährung ebenfalls eher positive Auswirkungen.
  • Folgen für deutsche Gastronomen und Hoteliers: Im Gegenzug hätte die schwache neue Landeswährung Italiens bei einem möglich „Italexit“ zur Folge, dass der Urlaub für Italiener in der Eurozone wie in Deutschland oder Österreich deutlich teurer wäre. Das bedeutet: weniger Touristen für das Oktoberfest, die Weihnachtsmärkte und Großstädte – Umsatzeinbußen in der deutschen Hotellerie und Gastronomie und im Einzelhandel drohen.
  • Folgen für alle Touristen: Grenzkontrollen für Autofahrer, neue Maut-Bestimmungen  und Entschädigungsregelungen für Fluggäste sind ebenfalls nicht unwahrscheinlich.
  • Folgen für ausländische Investoren: Die unsichere Rechtslage bei Reisefragen und die Risiken für die italienische Wirtschaft würden zu einem Vertrauensverlust bei Reisenden und Investoren sorgen. Italienische Touristen müssten bei einer Reise an den Bodensee oder nach Hamburg in den Wechselstuben deutlich tiefer in die Tasche greifen als zu Eurozeiten. Mehr bürokratischer Aufwand durch strengere Auflagen für ausländische Investoren würde den Wirtschaftsstandort schwächen und das Vertrauen der Devisenbringer schmälern.

Die Bundespräsidenten-Wahl in Österreich am zweiten Advent 2016 hat jedoch gezeigt, dass nicht immer die streng konservativen, nationalistischen und fremdenfeindlichen Parolen die Bürger überzeugen, sondern sich auch liberale und eurofreundliche Regierungsprogramme durchsetzen. Es bleibt vor den Neuwahlen in Italien abzuwarten, welchen Kurs die Italiener für sich und Europa wählen.

(fl)

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