Trinkgeld am Terminal: Cleverer Service oder digitale Erpressung?
„Achtung, Trinkgeld-Erpresser machen sich breit in Deutschland“ – so heißt es am Anfang eines Artikels, der vor Kurzem in der Welt erschienen ist. Autor Karsten Seibel kritisiert darin, dass bunte Felder auf Kartenlesegeräten Kunden dazu „umerziehen sollen, auch ohne Serviceanstrengung einen Aufschlag zu zahlen“.
Wer sich dem psychologischen Druck entziehen wolle, müsse aktiv nach einer Möglichkeit suchen, kein Trinkgeld zu geben. Er ruft daher dazu auf, sich davon nicht unter Druck setzen zu lassen und sich bewusst gegen unverdientes Trinkgeld zu wehren.
Auf den Social-Media-Plattformen wurde dieser Kommentar stark diskutiert. „100 % richtig. Hat mich letztens auch genervt am Düsseldorfer Hauptbahnhof bei dean&david“, schreibt jemand auf LinkedIn. Eine weitere Userin kommentiert: „Als Unverschämtheit betrachte ich diese Aufforderung nach mehr nicht gerade. Aber es nervt zunehmend, mich auch. Dabei müssen wir es nicht tun. Darüber habe ich bis zu diesem Artikel nicht wirklich nachgedacht. Daher danke für den Augenöffner. Ich werde es demnächst anders handhaben.“
Diese Kommentare zeigen: Eine Trinkgeldanzeige auf Kartenlese-Displays kann Kunden tatsächlich verärgern und sie möglicherweise zu einer Handlung drängen, die sie eigentlich nicht vornehmen wollen. Das ist aber nicht Sinn und Zweck der Trinkgeldanzeige!
„Trinkgeld ist und bleibt ein freiwilliges Dankeschön“
Fest steht: Elektronische beziehungsweise digitale Zahlungsweisen nehmen zu, während der Anteil der Bargeld-Umsätze sinkt. „Immer mehr Menschen sind bargeldlos unterwegs und bezahlen vielfach mit der Karte oder dem Handy“, verdeutlicht Rechtsanwalt Jürgen Benad, Geschäftsführer im Dehoga Bundesverband und Rechtsexperte. Die Integration von Trinkgeld-Optionen auf modernen Kartenterminals sei Ausdruck dieser Entwicklung. „Sie erleichtert Gästen das Geben von Trinkgeld durch vordefinierte Auswahlmöglichkeiten – auch ohne Bargeld.“
Dabei macht der Rechtsanwalt deutlich: „Trinkgeld ist und bleibt ein freiwilliges Dankeschön des Gastes – als Ausdruck der Wertschätzung für guten Service und Zeichen dafür, dass man sich im Betrieb wohlgefühlt hat.“
Ob und in welcher Höhe ein Gast Trinkgeld gibt, sei und bleibe eine persönliche Entscheidung. Dabei spiele nicht nur der Service eine Rolle, sondern es zählten auch Faktoren wie die Atmosphäre oder die Qualität der Speisen. „Moderne Bezahlsysteme bieten dabei lediglich eine zusätzliche Möglichkeit, diese Wertschätzung auszudrücken – ganz freiwillig. Wer sich nicht angesprochen fühlt, kann selbstverständlich auch die Option ‚Kein Trinkgeld‘ wählen“, stellt Benad klar.
Üblicherweise liege das Trinkgeld zwischen fünf und zehn Prozent der Rechnungssumme, manchmal auch darüber. Oft falle dabei das Trinkgeld bei kleineren Beträgen prozentual höher aus als bei größeren Rechnungen.
Auf die korrekte Abrechnung muss geachtet werden!
Den Betrieben gibt der Dehoga zum Thema Trinkgeld auf Anfrage von HOGAPAGE keine Empfehlungen. „Unsere Unternehmer kennen die Wünsche und Erwartungen ihrer Gäste am besten und entscheiden individuell über die Möglichkeiten der Trinkgeldgabe und den Umgang damit“, erklärt Benad.
Dennoch verweist der Verband darauf, dass Betriebe für die korrekte Abrechnung von Trinkgeld einiges zu beachten haben. Werden Trinkgelder nämlich über die Kartenabrechnung gezahlt, müssen diese separat erfasst und wie vereinbart verwendet werden. „Es darf nicht zu einer Vermischung von baren und unbaren Geldbeständen und damit zu falschen Kassenbeständen kommen“, betont Benad.
Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass bei Kartenzahlungen so genannte Transaktionsgebühren auf den Gesamtumsatz erhoben werden. „Das heißt, der Gastronom bezahlt auch auf das Trinkgeld für den Mitarbeiter die Kreditkarten- oder Girocard-Gebühren“, erklärt der Rechtsanwalt. Viele Gäste würden das Trinkgeld aber immer noch gerne in bar geben, auch wenn die Rechnung mit Karte bezahlt wird.
Eine transparente Gestaltung der Kartenterminals ist wichtig!
Fest steht: Trinkgeld bleibt freiwillig. Niemand ist verpflichtet, es zu geben – auch nicht, wenn bunte Prozentfelder auf dem Kartenterminal erscheinen. Und dennoch: Es bleibt eine schöne Geste, um den Mitarbeitern im Gastgewerbe – und dem Betrieb selbst gegenüber – Wertschätzung für guten Service, Atmosphäre oder Qualität auszudrücken.
Bei einer digitalen Trinkgeldoption ist es dabei umso wichtiger, dass dem Gast gegenüber deutlich wird, dass die Trinkgeldgabe keine Pflicht, sondern eine freiwillige Abgabe ist. Betriebe sollten deshalb auf eine transparente Gestaltung der Bezahlterminals achten – und im besten Fall auch aktiv über die Freiwilligkeit beim Trinkgeld informieren.
Vielleicht ist die eigentliche Frage somit nicht, ob Trinkgeld digital angezeigt wird, sondern vielmehr wie ehrlich und fair wir alle damit umgehen und wie offen wir darüber kommunizieren.
(Dehoga/Welt/SAKL)