Coronakrise

Hotelbranche: Keine schnelle Rückkehr zum Vor-Corona-Niveau

Otto Lindner, Vorstand der Lindner-Hotelgruppe. (Foto: © picture alliance / SZ Photo | Jürgen Heinrich)
Otto Lindner, Vorstand der Lindner-Hotelgruppe. (Foto: © picture alliance / SZ Photo | Jürgen Heinrich)
Die Hotelbranche kämpft seit zwei Jahren mit großen Schwierigkeiten. Wird mit abnehmenden Infektionszahlen alles wieder gut? Es sieht eher nicht so aus. Manche Probleme könnten noch länger bleiben.
Mittwoch, 16.02.2022, 11:28 Uhr, Autor: Martina Kalus

Die Hotellerie gehört zu den Branchen, die die Corona-Pandemie am stärksten getroffen hat. Fast zwei Jahre nach den ersten Lockdown-Maßnahmen gibt es noch immer kaum Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr zu den alten Zahlen. „Wir bewegen uns auch nach 24 Monaten Pandemie in völliger Unsicherheit und haben keinerlei Steuerungsinstrumente, um uns auf etwas vorzubereiten“, sagte Otto Lindner, Vorstand der Lindner-Hotelgruppe in Düsseldorf. „Wenn mich Mitarbeiter nach der Dauer der Kurzarbeit fragen, kann ich keine klaren Antworten geben.“ Keine Planungsparameter zu haben, sei eine extreme Belastung.

„Die Verunsicherung der Business-Gäste ist das größte Problem“, sagte Lindner, der auch Vorsitzender des Hotelverbands Deutschland ist. „Wir leben im Augenblick weitgehend von touristischen Reisen, weil Geschäftsreisen, Tagungen, Konferenzen, Messen, alles das fürs erste Quartal komplett gestrichen ist.“

Übernachtungszahlen

Nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl der Übernachtungen 2021 mit 310,3 Millionen um 37,4 Prozent unter dem Niveau des Vorkrisenjahres 2019. Gegenüber 2020 gab es ein Plus von gerade mal 2,7 Prozent. Nach Einschätzung von Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe war die Pandemie die schlimmste Krise der Hotellerie der vergangenen Jahrzehnte. „Für unsere Branche ist nur noch der Krieg schlimmer“, sagte er.

„Wir sind im Moment bei einer Belegung von etwa 25 Prozent. Damit verdient man weder die Gehälter, noch die Fixkosten“, so der Chef der Dorint-Hotels mit Sitz in Köln. „Die Kosten steigen durch die Inflation weiter an, so dass in diesem ersten Quartal mit einem großen Verlust gerechnet werden muss.“

Iserlohe geht davon aus, dass zunächst der Binnen-Tourismus wieder auf dem Niveau von 2019 anspringen wird – und vermutlich sogar darüber. „Als nächstes werden die privaten Veranstaltungen folgen“, sagte er. „Danach werden auch wieder die Messen folgen und ganz zum Schluss internationale, interkontinentale Businessreisen wieder stattfinden.“ Insgesamt an das Niveau von 2019 ranzukommen, sei noch nicht zu schaffen. „2022 ist ein verlorenes Jahr.“ Die Branche sieht er erst 2024 wieder auf dem Stand vor der Pandemie.

Stadt- und Tagungshotellerie

Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, nennt die aktuelle Lage dramatisch. „Das betrifft vor allem die Stadt- und Tagungshotellerie“, sagte Hartges in Berlin. Laut einer Dehoga-Umfrage unter mehr als 7000 Mitgliedern im Januar gab es für die Tagungshotellerie verglichen mit dem Januar 2019 ein Minus von 59 Prozent, bei der Ferienhotellerie von rund 40 Prozent.

Hartges sieht die Chance, dass die Nachfrage vor allem im touristischen Bereich ab April wieder anzieht. „In einzelnen Sommermonaten wird es möglich sein, wieder an das Umsatzniveau von 2019 heranzukommen.“ Die Entwicklung im Businessbereich sei von vielen Faktoren abhängig. „Aber auch da bin optimistisch, dass wir ab April wieder einen relevanten Anstieg von Familienfeiern, Tagungen und auch größeren Veranstaltungen erleben werden.“ Der Dehoga rechnet damit, dass die Umsätze erst 2023 auf dem Niveau von 2019 sind.

Auch aus Sicht der Hotelkette Motel One war der Start ins Jahr 2022 verhalten. „Messen und Events wurden Anfang des Jahres verschoben oder abgesagt.“ Die Pandemie behindere auch das geschäftliche Reisen, erklärte das Unternehmen mit Sitz in München. „Stand heute rechnen wir frühestens 2024 damit, in etwa das Vor-Pandemie-Niveau wieder zu erreichen.“

Starke Nachfrage erwartet

Marcus Bernhardt, Vorstands-Chef der Hotelgesellschaft Deutsche Hospitality, zu der die Steigenberger-Hotels gehören, erwartet eine starke Nachfrage, sobald die coronabedingten Restriktionen gelockert werden .“Die Buchungen 2022 entwickeln sich in den ersten Wochen besser als vorhergesagt.“ Das Bedürfnis, sich wieder zu treffen und zu reisen, sei überall spürbar. „Wir gehen davon aus, dass die Deutsche Hospitality mit Ende des Jahres 2023 wieder die Zahlen aus dem Vor-Pandemie Jahr 2019 erwirtschaften sollte.“

„Ob wir 2023 wieder auf Vor-Pandemie-Niveau sind?“ Otto Lindner ist sich nicht sicher. „Ich glaube, dass wir die Chance haben, 2023 an das Niveau von 2018 anzuknüpfen und 2024 an das von 2019“, sagte er. „Wir verzeichnen im Bereich der Tagungen, Konferenzen, Veranstaltungen ab März eine deutliche Zunahme der Nachfrage, die aber extrem vulnerabel ist“, so Lindner. „Wenn die Pandemiebeschränkungen nicht aufgehoben werden, dann verschiebt sich das immer weiter nach hinten.“

Die Kalender für die großen Messen seien für das zweite Halbjahr voll. „Die Herausforderung für die Messestandorte ist, überhaupt noch freie Termine zu finden und dies zu organisieren». Ein Problem ist aus Lindners Sicht – wie in anderen Branchen – der Personalmangel: „Etwa zehn Prozent der sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitenden haben die deutsche Hotellerie und Gastronomie in der Krise verlassen, bei den Aushilfen sieht es weitaus dramatischer aus.“

Personalmangel weiterhin problematisch

Iserlohe nennt Personalschwund, steigende Energiekosten und Reparaturstau als Herausforderungen für die Hotellerie. „Das Personalthema wird sicherlich in Verbindung mit den Personalkostensteigerungen das größte Problem der Branche werden“, sagte er.

Fachkräfte wanderten in andere Branchen ab. Gewerkschaften und Mitarbeiter verlangten berechtigterweise Gehaltserhöhungen. „Wenn wir dem Umsatz nicht ausbauen können, können wir die Gehaltsforderungen nicht bezahlen“, sagte Iserlohe. „Die Margen sind zu gering, um Investitionen in Renovierung, Restaurierung, Nachhaltigkeit und auch die Tariferhöhung finanzieren zu können.“

(dpa/MK)

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