Wirtschaft

So wirkt sich das Coronavirus auf die Branche aus

Wirtschaftliche Unsicherheit
Welche langfristigen Auswirkungen das Virus auf die Branche hat, wird sich noch zeigen. (©EtiAmmos/stock.adobe.com)
Absagen oder Stornierungen wegen des Coronavirus treffen Hotels und Gaststätten nicht in jedem Bundesland gleich. Ein Überblick über die Auswirkungen.
Montag, 09.03.2020, 11:13 Uhr, Autor: Natalie Ziebolz

Immer mehr Großveranstaltungen, Events und Urlaube werden aufgrund des Coronavirus abgesagt, doch das zieht wirtschaftliche Folgen für Hoteliers, Gastronomen und Reiseveranstalter mit sich: Rund drei Viertel der Hotels, Restaurants und Caterer verzeichnen bereits jetzt Umsatzrückgänge, wie eine Blitzumfrage des DEHOGA unter 10.000 Betrieben ergab. Die Umsatzausfälle belaufen sich demnach bei rund 50 Prozent der Betriebe auf 10.000 und 50.000 Euro; bei jedem zehnten Unternehmen sogar auf 50.000 und 100.000 Euro. Dabei liegt der Jahresumsatz von 25 Prozent der befragten Betriebe unter 250.000 Euro; rund 50 Prozent setzen jährlich 500.000 Euro um. Hinzu kommen 90 Prozent weniger Neubuchungen.

Die Auswirkungen des Virus bekommen jedoch auch Veranstalter und Reisebüros zu spüren. Bei einer Umfrage unter mehr als 450 Unternehmen hat eine Mehrheit von Umsatzrückgängen von bis zu 75 Prozent berichtet. „Die Menschen sind verunsichert und halten sich derzeit mit Buchungen zurück“, folgert DRV-Präsident Norbert Fiebig. Ein Ende der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen sehen die Meisten der Befragten frühestens im zweiten Halbjahr 2020. Die wirtschaftlichen Folgen für die Branche hingen davon ab, wie schnell es gelinge, das Virus in den Griff zu bekommen. „Urlaub hat bei den Deutschen einen sehr hohen Stellenwert und daher setze ich auf ein starkes Last-Minute-Jahr“, sagte Fiebig.

Die Lage ist jedoch nicht in allen Bundesländern gleich angespannt. Folgend daher ein Querschnitt durch Deutschland:

Bayern: Größere Einbußen als gedacht

Rund 80 Prozent der bayrischen Betriebe sind von Umsatzeinbußen betroffen. Im Schnitt gehen die Einnahmen dabei um 29 Prozent zurück. 93 Prozent aller Betriebe verzeichnen Rückgänge bei Neubuchungen – diese gehen im Schnitt um 39 Prozent zurück. „Was viele nicht wissen ist, dass es sich bei 87 Prozent der Betriebe um klein- und mittelständische Betriebe handelt, die fast über keine Liquidität verfügen“, erklärt Angela Inselkammer, Präsidentin des DEHOGA Bayern. „Bleiben hier Umsätze aus, können diese dann Forderungen nicht mehr begleichen. Somit sind die Auswirkungen existenziell. Der ohnehin stattfindende Prozess des Wirtshaussterbens wird aufgrund des Umsatzrückgangs erheblich beschleunigt werden und einmal geschlossene Betriebe werden ihre Türen nie wieder öffnen.“ Auswirkungen wird dies auf alle Akteure im ländlichen Raum haben. Denn, da Hotel- und Gastronomiebetriebe sehr stark regional vernetzt sind, wird es in Folge auch die heimische Wirtschaft extrem treffen; so werden in einem zweiten Schritt Zulieferer und Handwerksbetriebe betroffen sein, auch müssen alle Investitionen zurückgestellt werden.

Bei der Umfrage des DEHOGA wurden 1.947 bayerische Betriebe befragt; davon 38 Prozent in Städten über 20.000 Einwohnern.

Baden Württemberg: „Kein Anlass zu Verunsicherung und Panik“

Auch in Baden-Würrtemberg liegt der Umsatzrückgang durchschnittlich bei knapp 30 Prozent. In Messestädten liegen die Rückgänge teilweise deutlich darüber, denn auch hier sorgt die Krise nicht nur für zahlreiche Stornierungen, sondern auch für einen Rückgang bei Neubuchungen um fast 40 Prozent.

Baden-Württembergs Tourismusminister Guido Wolf (CDU) rät Urlaubern daher, trotz des Virus an Reiseplänen in den Südwesten festzuhalten: „Für Gäste besteht kein Anlass zu Verunsicherung und Panik. Derzeit kann man beruhigt nach Baden-Württemberg reisen.“ Dennoch sieht auch Wolf, die Verunsicherung in der Branche. „Die ersten Rückmeldungen der Betriebe lassen bereits erahnen, dass es kurzfristig Auswirkungen geben wird“, erklärt der Minister.

Die Umfrage des DEHOGA wurde unter fast 1.900 Betrieben im Südwesten durchgeführt.

Berlin: Umsatzeinbußen im Februar und März

In Berlin, wo gerade erst die ITB abgesagt werden musste, beklagen 94 Prozent der Hoteliers und Gastronomen Umsatzeinbußen im Februar und März. Im Durchschnitt brachen ihre Einnahmen demnach um rund ein Drittel ein; 91 Prozent der Betriebe beklagten außerdem Rückgänge bei Neubuchungen.

In Berlin bat der DEHOGA 800 Betriebe um Teilnahme an der Umfrage.

Brandenburg: „Viele Menschen und Organisationen agieren vorsichtiger“

Die rund 1685 Hotels und Pensionen mit jeweils mehr als zehn Betten zwischen Oder und Elbe bieten nach Angaben des Wirtschaftsministeriums knapp 129.000 Übernachtungsplätze an. Die Tourismusbranche peilte bisher für dieses Jahr die Marke von 15 Millionen Gästeübernachtungen an – nach dem Rekord von 14 Millionen im vergangenen Jahr. Doch bisher berichten die Betriebe von Umsatzeinbußen von 76 Prozent.

Das Kongresshotel Potsdam etwa beziffert die Stornierungen bei großen Tagungen inklusive Übernachtungen auf 30 Prozent, wie die „Märkische Allgemeine“ unter Berufung auf Direktorin Jutta Braun berichtete. Das Paulinen Hof Seminarhotel in Kuhlowitz bei Bad Belzig (Kreis Potsdam-Mittelmark) berichte von großer Verunsicherung der Gäste und habe mit Stornierungen von Veranstaltungen und Übernachtungen zu kämpfen.

Der Verbandsgeschäftsführer Olaf Lücke sieht noch ein anderes Problem: „Es gibt auch Zurückhaltung bei Neubuchungen.“ Die Tourismus-Marketinggesellschaft Brandenburg kommt zu einer ähnlichen Einschätzung. „Die Branche spürt eine Verunsicherung, das nehmen wir am Markt wahr“, erklärte der stellvertretende Sprecher Patrick Kastner der dpa. „Viele Menschen und Organisationen agieren vorsichtiger und es besteht mehr Interesse an Optionen wie beispielsweise Rücktrittsmöglichkeiten bei Veranstaltungen oder Ähnlichem.“

Mecklenburg Vorpommern: „Stornierungen haben dauerhafte Folgeschäden für Tourismus“

Rund 60 Prozent der Betriebe sind in Mecklenburg-Vorpommern von den Folgen der Coronakrise betroffen. Dabei liegen die Umsatzeinbußen im Schnitt bei 21 Prozent. 87 Prozent aller Betriebe verzeichneten Rückgänge von 31 Prozent bei Neubuchungen.

Laut des Präsident des DEHOGA Mecklenburg-Vorpommern, Lars Schwarz, bedrohe das Virus das Gastgewerbe in Mecklenburg-Vorpommern flächendeckend. „Stornierungen, ausbleibende Urlaubsgäste und leere Betten bedeuten immer auch leere Tische in den Restaurants. Das kann extrem schnell zu dauerhaften Folgeschäden für den für Mecklenburg-Vorpommern so wichtigen Tourismus führen.“

In einer Blitzumfrage des DEHOGA wurden 66 Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern befragt.

Niedersachsen: Kaum Auswirkungen spürbar

In Niedersachen sind die Auswirkungen bei weitem nicht so stark zu spüren: Das Verhalten der Menschen verändere sich, sagte der Hauptgeschäftsführer des DEHOGA Niedersachsen, Rainer Balke, der dpa. Demnach sagen Unternehmen zunehmend Geschäftsreisen und Veranstaltungen ab, Lokale werden weniger besucht. Auch Kantinen haben mit weniger Gäste zu kämpfen. Zudem wollten viele Menschen nicht mehr von einem Buffet essen. Die für April geplante Hannover Messe wurde deshalb bereits in den Juli verschoben.

NRW: Umsatzrückgang von rund 62 Millionen

Die Auswirkungen der Erkrankungswelle sind mittlerweile in ganz NRW zu spüren und beschränken sich nicht mehr nur auf die großen Messe-Standorte oder den Kreis Heinsberg. Gastronomen, Hoteliers und Caterer verzeichnen hier 82 Prozent Umsatzeinbußen. Der durchschnittliche Umsatzausfall seit Februar liegt bei rund 33 Prozent. Bei 955 Gastronomen und Hoteliers, die ihre Ausfälle konkret bezifferten, entstand ein Umsatzrückgang von rund 62 Millionen Euro. „Setzt man das ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Zehntausenden von gastgewerblichen Betrieben in NRW, wird mir Angst und Bang. Wir sind mit einer Situation konfrontiert, wie wir sie noch nicht erlebt haben, auch nicht 2008/2009 nach der Bankenkrise“, stellt Bernd Niemeier, Präsident des DEHOGA in NRW, fest.

Vor dem Hintergrund, dass ein Rückgang der Infektionen zeitnah nicht zu erwarten ist und die Neubuchungen zusammengebrochen sind – 89 Prozent der teilnehmenden Hoteliers und Gastronomen melden im Schnitt einen Rückgang von 41 Prozent – wird sich die wirtschaftliche Situation wegen weiterlaufenden Kosten für Pacht und Personal und der zunehmenden Verunsicherung verschärfen.

Niemeier und verweist auf die Bedeutung der Branche als sozialen Treffpunkt, wichtigsten Leistungsträger des Tourismus, aber auch auf die Wichtigkeit von Gastronomie und Hotellerie für örtliche Handwerker, Taxiunternehmen und Lebensmittelbetriebe. Im Gastgewerbe in Nordrhein-Westfalen arbeiten in rund 51.000 Betrieben mehr als 400.000 Beschäftigte und erwirtschaften mehr als 16,5 Milliarden Euro Umsatz.

An der Schnell-Umfrage des DEHOGA beteiligten sich 1.696 Unternehmer in NRW.

Rheinland-Pfalz: Eintrübenden Geschäften im Ausland

Bisher schlägt die Krise in Rheinland-Pfalz mit Umsatzeinbußen von 33 Millionen Euro zu Buche. Sieben von zehn Betrieben sind dabei betroffen. Im Durchschnitt gebe es einen Umsatzeinbruch von 38 Prozent. DEHOGA-Präsident Gereon Haumann erklärt: „Unsere Branche treffen die Folgen des Virus nach vier schwachen Wintermonaten besonders hart, denn jetzt sollte eigentlich das vielversprechende Saisongeschäft für Gastronomie und Hotellerie beginnen.“

Doch nicht nur innerdeutsche Geschäfte sind betroffen: So rechnet unter anderem die Bitburger Braugruppe mit möglicherweise eintrübenden Geschäften im Ausland. Der Markt in Italien sei für das Unternehmen einer «der ganz großen Absatzmärkte», sagte der Sprecher der Geschäftsführung, Axel Dahm, in Bitburg. Derzeit sei nicht absehbar, wie sich das Thema Coronavirus «auswirken wird in Bezug auf Gastronomie und in Bezug auf Veranstaltungen. Das könnte uns natürlich dort auch zurückwerfen».

Das Wirtschaftsministerium in Mainz kündigte ein Gespräch mit Vertretern der Wirtschaft am 10. März an. Dabei gehe es um einen Austausch zur Lage und zu möglichen Maßnahmen.

Schleswig-Holsteins: „Die Buchungslage für Ostern ist in allen Regionen gut, teils sehr gut“

Erfreuliche Neuigkeiten hat Schleswig-Holstein: Bisher hat der Coronavirus keine spürbaren Auswirkungen auf Buchungen über die Ostertage in den Urlaubsdestinationen Schleswig-Holsteins. „Die Buchungslage für Ostern ist in allen Regionen gut, teils sehr gut“, sagte die Sprecherin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TASH), Manuela Schütze. Aktuell reicht die Buchungslage demnach von „kaum noch etwas frei“ wie in Scharbeutz in der ersten Reihe mit Meerblick bis „sehr entspannt“ etwa in Lübeck Travemünde. Letztere Destination ist den Angaben zufolge indes für kurzfristige Buchungen beliebt. Inwieweit weniger Spontan-Urlauber in den Norden kommen könnten, ist derzeit nicht absehbar. Nicht nur wegen der Entwicklung in Sachen Sars-CoV-2, sondern auch mit Blick auf das prognostizierte Wetter: Denn diese Gästegruppe buche auch „sehr wetterabhängig“, sagte TASH-Sprecherin Schütze.

Thüringen: Thüringen-Ausstellung erfolgreich

In Thüringen sind Hotels und Gaststätten regional bislang sehr unterschiedlich von Absagen und Stornierungen betroffen. Wegen der Absage der Leipziger Buchmesse hätten sie vor allem im Altenburger Land zu leiden, sagte der Hauptgeschäftsführer des DEHOGA Thüringen, Dirk Ellinger. Wegen der räumlichen Nähe hätten diese Häuser sonst immer Gäste der Buchmesse beherbergt. Hinzu kommt die Absage des Umzuges beim Eisenacher Sommergewinn.

Die Thüringen-Ausstellung wurde jedoch trotz der Aufregung über das Virus nicht abgesagt. Die Aussteller bei Thüringens größter Verbrauchermesse sind eine feste Größe für Hotels und Pensionen in Erfurt und Umgebung. 750 Aussteller waren bis Sonntag auf dem Messegelände in Erfurt vertreten. Jedoch ist trotz des Jubiläums ein deutlicher Besucherrückgang zu erkennen: Mit rund 45.000 Gästen hatte die Thüringen Ausstellung in diesem Jahr 35 Prozent weniger Besucher als 2019. Geschäftsführerin Constanze Kreuser sieht die Ursache für den Rückgang in der Angst vor dem neuartigen Coronavirus. „Es gibt keinen anderen Grund, schon gar nicht im Jubiläumsjahr“, sagte sie.

Unter den Bedingungen sei die Messe dennoch gut gelaufen. Ganz entscheidend sei ohnehin die Bewertung durch die Aussteller und nicht die Besucherzahl, so Kreuser. Die Mehrzahl der rund 750 Aussteller habe angegeben, im nächsten Jahr wieder kommen zu wollen. Unternehmen, Vereine, Institutionen und andere Einrichtungen präsentierten sich und ihre Angebote zu Themen wie Bauen, Immobilien, Festen oder auch Gesundheit. (dpa, DEHOGA, NZ)

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