„Wir befinden uns in einem Umbruch“
Auch am deutschen Hotelinvestmentmarkt geht die weltweite Corona-Pandemie nicht spurlos vorbei. Die wirtschaftliche Krise hat das Kaufinteresse von Investoren deutlich abgebremst. So kam es in den Monaten April bis Ende Juni zu nur acht Transaktionen mit insgesamt 260 Mio. Euro. Drei Monate zuvor waren es noch 27 Transaktionen von zusammengenommen rund 1 Mrd. Euro. Diese Zahlen legte jetzt die JLL Hotels & Hospitality Group vor. Trotz deutlichem Rückgang für das Halbjahr, bleibt das Minus unterm Strich aber dank starkem Jahresauftakt verhältnismäßig klein: – 15 Prozent. Der 5-Jahresvergleich mit den in diesem Zeitraum stark zugenommenen Volumina liegt da schon eher im Argen: – 28 Prozent schlagen zu Buche.
Heidi Schmidtke, Managing Director der JLL Hotels & Hospitality Group: „Wie befürchtet hat sich die Pandemie im zweiten Quartal den operativen Märkten folgend auch auf den Investmentmärkten bemerkbar gemacht.“ Dabei sei nicht wegzudiskutieren, dass die wenigen Aktivitäten im zweiten Quartal ihre Anfänge bereits meist vor Corona genommen hatten.
Ein Marktbereich erholt sich besonders gut
Als Gründe für das zaghafte Kaufverhalten nannte die Hotelexpertin, dass es Investoren gebe, die gerade in diesen Zeiten vor dem erhöhten Risiko einer nicht zeitplangerechten Fertigstellung des Objekts zurückschrecken. Außerdem sei oftmals die Finanzierung von Projekten schwierig. Gleichzeitig würden aber auch einige Investoren bereits zukunftsgerichteter kalkulieren und damit mit der Fertigstellung von Projekten, wenn sich der Markt bereits erholt hat.
Zumindest in einem Sektor scheint das, laut Schmidtke, bereits der Fall. „Die Ferienhotellerie erholt sich aktuell mit am schnellsten. Hotels am Meer und in den Bergen erleben vor allem durch inländische Besucher einen veritablen Nachfrageboom.“ Daher würde die Krise auch jene Märkte weniger stark treffen, die nicht zu sehr auf internationale Nachfrage angewiesen sind und zumindest auch eine hohe freizeittouristische Attraktivität haben. Zudem geht Schmidtke von einer Fokussierung der Investoren auf bestimmt Märkte aus: ein Mix aus Business und Leisure und Segmente wie Budget Hotels oder Serviced Apartments.
Viele Pachtverträge werden sich künftig ändern
Sicher ist die Hotelexpertin dagegen, dass der Hotelmarkt nicht unbedingt länger fest in den Händen der Verpächter ist. Denn gerade in Zeiten wie den aktuellen riskieren sie den Betreiber zu verlieren mit der Folge eines Leerstands. „Noch können langfristige Trends zwar nicht definitiv ausgemacht werden. Bisher zumindest galt Mietstundung statt -ausfall oder -reduktion“, erklärt Schmidtke. Nun gehe es jedoch in die nächste Phase, in der sich Trends erst noch herauskristallisieren müssten, „etwa mehr Flexibilität bei Mietstruktur mit höheren variablen Anteilen und Corona-Klauseln in Verträgen“.
Reisebranche muss sich neu ausrichten
Gesamtbetrachtet werden 2020 „kein Glanzjahr in den Geschichtsbüchern des Hotelinvestmentmarktes“, fasst Schmidtke zusammen. Bis sich der Hotelinvestmentmarkt wieder auf Vor-Corona-Niveau eingependelt hat, rechnet sie mit einer Dauer von zwei bis drei Jahren. „In jedem Fall befinden wir uns in einem Umbruch. 2020 wird sich auf jeden Fall deutlich unter dem 5-Jahresdurchschnitt von 4,4 Mrd. Euro bewegen“, prognostiziert sie. Aber Kapital und Investoren stünden bereit. Und auch Hotelübernachtungen werde es in Zukunft weiterhin geben. Gesprochen werden müsste, nach Schmidtkes Ansicht, aber über „eine tragfähige Vision künftigen Reisens“.
(JLL/KP)