Aus für Deutsche Thomas Cook
„Es wird keine Zukunft für Thomas Cook in Deutschland geben“, so schreibt es das Unternehmen in einem Abschiedsbrief an Vertriebs- und Geschäftspartner. Der Veranstalterbereich mit den Marken Neckermann Reisen, Air Marin und Thomas Cook Signature wird kommende Woche eingestellt. Das hat Julia Kappel-Gnirs aus dem Team der vorläufigen Insolvenzverwalter jetzt der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitgeteilt.
„Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussichtlich kommender Woche erhalten die betroffenen Mitarbeiter die Kündigung. Sie sind darüber informiert“, sagte die Expertin am Donnerstag. Dabei handele es sich um weniger als die Hälfte der insgesamt etwa 2100 Beschäftigten. Durch Verkäufe von Unternehmensteilen werde die Zukunft von mehr als 1000 Mitarbeitern gesichert.
„Es ist ein trauriges Ende für Mitarbeiter und Kunden, denen wir keine Fortführungslösung im Ganzen bieten können“, sagte die Geschäftsführerin der deutschen Thomas Cook, Stefanie Berk, der dpa.
„Viele Interessenten sind zurückgeschreckt“
Laut der vorläufigen Insolvenzverwalterin wurde nach dem Insolvenzantrag am 25. September versucht, „unter hohem Zeitdruck eine Gesamtlösung für das Unternehmen zu finden. Das war eine Herkulesaufgabe“, sagte Kappel-Gnirs. „Es gab eine Vielzahl von Interessenten, aber viele sind vor der Größe des Unternehmens und den Kosten der Anlauffinanzierung zurückgeschreckt.“
Mehrere Anteile von Thomas Cook verkauft
Für Teile des Unternehmens gibt es Käufer. So übernimmt der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof 106 der mehr als 120 Reisebüros von Thomas Cook (HOGAPAGE berichtete). Dadurch werden den Angaben zufolge mehr als 500 Arbeitsplätze in dem Bereich gesichert. Der türkische Reiseveranstalter Anex Tour erwirbt den Türkeispezialisten Öger Tours und den Last-Minute-Anbieter Bucher Reisen mit insgesamt 84 Mitarbeitern. Beide Deals stehen unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Kartellbehörde sowie des Gläubigerausschusses von Thomas Cook.
An der Hotelmarke Sentido und der Reisebüro-Franchisemarke Holiday Land hat Konkurrent DER Touristik Interesse. Interessenten gibt es den Angaben zufolge auch für die bekannte Marke Neckermann Reisen, die einst für Millionen Bundesbürger der Inbegriff von Pauschalreisen war. Verhandlungen laufen zudem für die nicht-insolvente Call-Center-Tochter in Bochum mit etwa 500 Beschäftigten.
Wie es mit den Thomas Cook Mitarbeitern weitergeht
„Wir sind guten Mutes, dass auch ein Großteil der von Kündigungen betroffenen Mitarbeiter möglichst kurzfristig einen Job findet“, sagte Berk. „Bei einer von uns organisierten Jobbörse haben viele Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet, aber auch aus anderen Regionen großes Interesse an den hochmotivierten Kolleginnen und Kollegen gezeigt.“
Hintergründe
Die deutsche Thomas Cook war in den Sog der Pleite der britischen Mutter geraten und hatte am 25. September Insolvenzantrag gestellt. Für den Zeitraum seit dem Insolvenzantrag bis September 2020 gab es früheren Angaben zufolge insgesamt etwa 660 000 Buchungen. Die davon betroffenen Feriengäste sollen von Dezember an entschädigt werden.
Klar ist bereits, dass die versicherte Summe bei weitem nicht ausreicht und dass Geschädigte nur einen Teil ihrer Auslagen zurückbekommen. Die Haftungssumme ist in Deutschland auf 110 Millionen Euro pro Jahr und Versicherung begrenzt. Dem Versicherer Zurich Deutschland zufolge sind allein bis 1. November Schadenmeldungen im Volumen von mehr als 250 Millionen Euro eingegangen. Hinzu kämen die Kosten für die Rückholung von Urlaubern, die zum Zeitpunkt der Insolvenz mit der deutschen Thomas Cook unterwegs waren.
Klagen gegen Deutschland drohen
Die Turbulenzen könnten auch ein Nachspiel für den Fiskus haben. Erste Anwälte bringen sich in Stellung. So hat die Kanzlei Mutschke aus Nordrhein-Westfalen nach eigenen Angaben Staatshaftungsklage gegen Deutschland wegen der Insolvenzabsicherung von Pauschalreisen beim Landgericht Berlin eingelegt. Die Kanzlei vertritt nach eigenen Angaben eine Reisende und will für diese Schadensersatz vom Staat.
Die Anwälte werfen dem Gesetzgeber vor, geltendes EU-Recht nicht korrekt umgesetzt zu haben. Die EU-Richtlinie verpflichte die Mitgliedstaaten dazu, Pauschalreisenden im Falle einer Insolvenz des Veranstalters „vollumfänglichen Schutz“ zu bieten. Das habe der deutsche Staat versäumt. Ähnlich argumentiert der Verbraucherschutzverein (VSV) aus Wien. In dessen Auftrag ist die Berliner Kanzlei Kälberer & Tittel tätig. Sie plant nach eigenen Angaben ebenfalls eine Staatshaftungsklage. (dpa/KP)