Die Sache mit den Tagesgästen

Overtourism plagt Oberbayern

Wanderung durch den Höllentalklamm
Oberbayern zieht vor allem auch Wanderer an, wie hier die Höllentalklamm – zum Teil auf Kosten der Umwelt. (Foto: © Jürgen Fälchle)
Scharen an Tagesgästen, verstopfte Straßen, zugeparkte Einfahrten und Müllberge – viele Regionen im Einzugsgebiet Münchens leiden unter den Besuchermassen. Anwohner ergreifen nun erste Maßnahmen.
Freitag, 04.10.2019, 10:43 Uhr, Autor: Kristina Presser

„Münchner, bleibt daheim!“ titelte die Süddeutsche vor einiger Zeit und beschrieb darin den Unmut der Bewohner im Fünfseenland: viel zu volle Strände, verstopfte Straßen und Chaos durch parkende Autos. Und es nimmt kein Ende. Denn die bayerische Landeshauptstadt wächst nicht nur ungebremst, sondern zieht auch immer mehr Touristen an, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Aber auch andernorts in Oberbayern strömen Reisende in Städte und Natur – einerseits ein Plus für den Wirtschaftszweig, andererseits Dilemma für Anwohner, deren Akzeptanz schwindet. Es droht der Overtourism. Doch erste Maßnahmen werden bereits ergriffen.

So sind zum Beispiel am Walchensee Ranger des Landratsamtes Bad Tölz-Wolfratshausen mit Forstmitarbeitern, Polizei und freiwilligen Helfern der örtlichen Feuerwehr in Einsatz. Zum Teil seien 3.000 bis 4.000 Autos am See, berichtete der Jachenauer Bürgermeister Georg Riesch kürzlich. Teils kämen Rettungsdienste nicht mehr durch. Man spüre, dass München jährlich um 30.000 Einwohner wachse. „Man kann es den Leuten nicht verdenken, dass sie raus wollen aus der Stadt.“

Und auch am Tegernsee geht es regelmäßig nur im Schritt voran. Von „Overtourismus“ will Bürgermeister Johannes Hagn aber nicht sprechen. „Wer entscheidet, wann es zu viel ist? Ist es der genervte Anwohner, weil alle Parkplätze zu sind, oder der Biergartenbesucher der keinen Platz bekommt?“ Hagn setzt auf Regelungen wie Anwohnerparken, bessere Zugverbindungen und Radschnellwege. „Wir sind das Naherholungsgebiet für die Münchner. Wir Kommunen vor Ort müssen überlegen, wie wir damit umgehen.“ Dabei wünscht er sich nicht noch mehr Tagesgäste, aber mehr Urlauber in den Hotels.

100 Euro Parkgebühr

Ähnliche Probleme herrschen auch am Eibsee am Fuß der Zugspitze. „Das Schlimmste ist der Parkplatzmangel und der Verkehr – und das Umweltbewusstsein der Besucher“, sagt der Grainauer Bürgermeister Stephan Märkl. Der Bund Naturschutz in Oberstdorf schlug kürzlich vor, die Parkgebühr für Tagestouristen auf 100 Euro anzuheben – von bisher vier bis sechs Euro. „Vor allen an den Wochenenden erkennt man die massive Zunahme des Verkehrs: An Samstagen fahren dort etwa 20.000 bis 25.000 Autos innerhalb von 24 Stunden – etwa 5.000 bis 8.000 davon sind Tagestouristen“, sagt Michael Finger, Vorsitzender der BN-Ortsgruppe Oberstdorf. „Das zeigt das Problem des Overtourism, den wir in Oberstdorf haben.“

Der Deutsche Alpenverein (DAV) baut keine neuen Hütten mehr, obwohl der Outdoortrend immer mehr Menschen in die Berge zieht. Besonders überlaufen ist der Europäische Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran. Der Wirt der Memminger Hütte stellte zeitweise ein Zelt auf, um Gäste unterzubringen. Andernorts schlafen Wanderer notfalls im Gastraum. „Die Infrastruktur ist an der Kapazitätsgrenze“, sagt DAV-Sprecher Thomas Bucher. „Die spannende Frage wird sein: Wie machen wir es in Zukunft, dass das alles nicht auf Kosten der Umwelt und der Einheimischen geht.“ Der DAV setzt auf Projekte wie die Bergsteigerdörfer mit nachhaltigem Tourismus ohne neue Lifte und Hotelburgen. (dpa/Nordbayern.de/KP)

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

der Markusplatz in Venedig
Hochwasserkatastrophe
Hochwasserkatastrophe

Venedig leidet an Touristen-Mangel

Kurz vor dem Karneval sind in den Hotels der Lagunenstadt Venedig noch immer Zimmer frei, da nach der Hochwasserkatastrophe die Touristen ausbleiben würden. Bürgermeister Luigi Brugnaro startet einen Aufruf. 
Die Karlsbrücke in Prag
Overtourism
Overtourism

Auch Prag sagt Airbnb den Kampf an

Nach zahlreichen deutschen und europäischen Städten hat sich nun auch die tschechische Hauptstadt dem Kampf gegen die Plattform Airbnb angeschlossen. Neue Gesetze sollen die Vermietungen von Apartments drastisch einschränken.
Fahnen von den Linken vor dem Brandenburger Tor
Branchenpolitik
Branchenpolitik

Linke wollen Tourismusmarketing stoppen

Die steigenden Besucherzahlen in Berlin sorgen für ein blühendes Gastgewerbe. Doch Politiker der Linken sprechen sich nun gegen die weitere Bewerbung der Hauptstadt aus, um keinen zweiten „Ballermann“ zu schaffen. 
Fröhliches Paar fotografiert sich selbst vor dem Kolloseum
Touristenverhalten
Touristenverhalten

Reisen – früher und heute

In nur wenigen Jahren haben sich unser Reiseverhalten und der Tourismus rasant verändert. Fünf Punkte zeigen den Unterschied zu früher.
Am Rand des Weltraumes
Weltraumabenteuer
Weltraumabenteuer

Reise zu den Sternen

Den Sternen nahe! Art of Travel, ein Reiseunternehmen für Luxusreisen, bietet ab 2025 ein ganz besonderes Abenteuer. Mit einer Druckkapsel geht es für Reisende an den Rand des Weltraumes.
Im Maritim Congress Centrum Ingolstadt gemeinsam im Einsatz (Foto: © mike@samplay)
Veranstaltung
Veranstaltung

KI im Mittelpunkt des oberbayerischen Tourismus

Ein Thema stand ganz klar im Vordergrund auf dem Tourismusforum in Ingolstadt, nämlich der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Branche. Hauptanliegen der Initiatoren war es, die Relevanz neuer Techniken und digitaler Entwicklungen zu verdeutlichen. 
Zeigten neue Wege im touristischen Employer Branding auf (v.l.): Franz Eisl (Schladming-Dachstein), Isabell Decker (Saint Elmo’s Tourism), Gerhard Höflehner, Barbara Hochkönig, Mathias Schattleitner (alle Schladming-Dachstein), Renate Bauer (Saint Elmo’s Tourism) und Gottlieb Stocker (Hotel Schwaigerhof). (Foto: © TVB Schladming-Dachstein)
Abeitsmarkt
Abeitsmarkt

Schladming-Dachstein: neue Wege im Employer Branding

Die Tourismus-Region hat ein neues, umfassendes Förderprojekt zur Gewinnung von Mitarbeitern gestartet. Dieses zielt insbesondere auch auf Senior Talents ab. Gerade in dieser Gruppe gibt es großes Potenzial, heißt es.