Exklusiv-Interview

Über Overtourismus, Airbnb und neue Chancen

Professor Dr. Pillmayer von der Hochschule München
Professor Dr. Pillmayer von der Hochschule München
Tourismusexperte Prof. Dr. Pillmayer von der Hochschule München spricht mit HOGAPAGE über Reise-Destinationen, Overtourismus und Wohnungsvermittler.
Dienstag, 28.07.2020, 08:25 Uhr, Autor: Thomas Hack

Welche Tourismus-Regionen werden in Deutschland von der Krise profitieren? Ist „Overtourism“ wirklich ein Thema? Und was ist den Urlaubern und Destinationen in der aktuellen Situation überhaupt zu empfehlen? Professor Dr. Pillmayer von der Hochschule München hat die Antworten.

Welche Regionen werden in Deutschland von der Krise profitieren?

Meines Erachtens werden diejenigen Regionen profitieren, die mittels geeigneter Maßnahmen ihren Gästen ein ausreichendes Sicherheitsgefühl vermitteln können. Dazu zählt u.a., die Auflagen zu berücksichtigen und glaubhaft zu vermitteln, dass diese vor Ort konsequent eingehalten und umgesetzt werden. Vertrauensbildende Maßnahmen sollten hierbei an erster Stelle stehen.

Profitieren von der momentanen Situation insbesondere Wohnungsvermittler wie Airbnb? Oder ist genau das Gegenteil der Fall?

Es profitieren insbesondere die Ferienhäuser und Privatunterkünfte, die zum klassischen Angebot von Airbnb zählen. Allerdings muss hier zwischen urbanen Destinationen – den Städten – und dem ländlichen Raum unterschieden werden. Während die Nachfrage in den Städten recht überschaubar ist, erfreuen sich die Angebote außerhalb der Ballungsräume eines steigenden Interesses. Darüber hinaus hat Airbnb schon recht früh auf die Herausforderungen mit der Pandemie reagiert.

Ist „Overtourism“ wirklich ein Thema?

Wir müssen hier differenzieren. Beobachtungen wie beispielsweise in Barcelona oder Venedig können wir in Deutschland nicht verzeichnen. Wenn dann sprechen wir von einem Overcrowding-Phänomen. D.h. bestimmte Regionen sind zu bestimmten Zeiten – bspw. an Wochenenden oder in Verbindung mit einem Brückentag – stark frequentiert. Die Herausforderung ist hierbei auch nicht der Übernachtungsgast, sondern der Tagestourist, der i.d.R. – vielleicht auch aus einer Sicherheitsüberlegung heraus – mit dem eigenen PkW anreist.

Nochmals zum Thema Overtourismus: Die Stadt Venedig bettelt derzeitig geradezu um Touristen, kündigt aber gleichzeitig an, kommendes Jahr eine Eintrittsgebühr für die Stadt zu erheben. Ist das aus Ihrer Sicht ein Widerspruch oder nur konsequent?

Es ist legitim, dass sich Destinationen ernsthafte Gedanken dazu machen. Hierzu muss aber jede Destination ihren eigenen Weg finden; Amsterdam hat bis auf Weiteres sein Auslandsmarketing eingestellt, Dubrovnik u.a. in Abstimmung mit der Kreuzfahrtbranche die Anzahl der Kreuzfahrtschiffe limitiert. In Cinque Terre dürfen Touristen keine Flip-Flops mehr tragen.

Was empfehlen Sie Urlaubern und Destinationen in Deutschland in der aktuellen Situation?

Die Destinationen und Betriebe möchten nach Möglichkeit den Umsatzausfall verständlicherweise kompensieren, die Reisenden endlich ihren wohlverdienten Urlaub genießen. An oberster Stelle sollte aber vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens nach wie vor Verständnis, Geduld und Rücksichtnahme stehen – und zwar auf beiden Seiten.

Professor Dr. Pillmayer ist an der Hochschule München Dozent an der Fakultät für Tourismus mit dem Fokus Destinationsmanagement, Entrepreneurship und Tourismuspolitik. Pillmayer studierte Geographie mit Schwerpunkt „Tourismus, Freizeit und Umwelt“ an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, bevor der gebürtige Münchner seine Karriere als Verantwortlicher für Marketing- und Qualitätsmanagement beim Tourismusverband München-Oberbayern e.V. begann.

Zurück zur Startseite

Weitere Themen

Lusine Gevorgyan
Exklusivinterview
Exklusivinterview

Armenien – ein unentdecktes Juwel im Kaukasus

Noch vor wenigen Jahren war Armenien ein weitgehend unentdecktes Land für die meisten Reisenden. Doch gerade die reiche Kultur, die unberührte Natur und die traditionsreiche Kulinarik machen es zu einem spannenden Reiseziel. Was das Land so besonders macht, darüber spricht Lusine Gevorgyan, Vorsitzende des Verbands für Tourismus in Armenien, in einem Exklusivinterview. 
Prof. Dr. Pillmayer
HOGAPAGE-Interview
HOGAPAGE-Interview

Forscher erarbeiten Krisenleitfaden für die Tourismusbranche

Forscher der Hochschule München analysieren derzeitig das Krisenmanagement der bayerischen Tourismuswirtschaft und entwickeln einen Leitfaden für die Branche. Herr Prof. Dr. Pillmayer und Frau Prof. Dr. Chang geben Einblicke in das Projekt.
Strand von St. Peter-Ording
Maßnahmen
Maßnahmen

St. Peter-Ording entwickelt neues Tourismuskonzept

Gemeinsame Perspektive für die Zukunft: Der Tourismus in St. Peter-Ording soll nicht nur Gästen zugutekommen, sondern auch die Interessen der Einheimischen wahren und die Natur schützen. Deshalb will die Küstenregion jetzt ein neues Tourismuskonzept entwickeln. 
Frau sitzt auf einem Steg an einem See
Studie
Studie

So umweltbewusst reisen die Deutschen

Nachhaltigkeit hat einen festen Platz im Bewusstsein von Reisenden. Steigen jedoch Aufwand, Kosten oder der Informationsbedarf, öffnet sich die Green Gap zwischen Anspruch und Alltag, wie eine Studie jetzt zeigt.  
Porträt von Franziska Giffey
Bundesländerübergreifende Allianz
Bundesländerübergreifende Allianz

Neuer Schwung für die Marke „Deutschlands Seenland“

Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen die Initiative für einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Wassertourismus vorantreiben. „Deutschlands Seenland“ ist nun auch als Marke eingetragen.
Tui Reisebüro
Touristik
Touristik

Tui steigert Gewinnprognose dank Rekordergebnissen bei Hotels und Kreuzfahrten

Der Reisekonzern hat seine Gewinnprognose für das laufende Geschäftsjahr angehoben. Grund seien starke Ergebnisse in den Sparten Hotels & Resorts sowie Kreuzfahrten – trotz weiterhin hartem Wettbewerb bei Pauschalreisen.
Urkundenübergabe Forellenhof Rössle
Urkunde
Urkunde

Forellenhof Rössle als „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ ausgezeichnet

Das Hotel in Lichtenstein-Honau darf sich erneut über die Auszeichnung freuen. Damit wird das Engagement des Hauses für wanderfreundliche Gastlichkeit auf der Mittleren Schwäbischen Alb gewürdigt.
Frau steht mit Stadtplan vor dem Brandenburger Tor
Statistik
Statistik

Touristen kommen seltener nach Berlin

Nach Berlin hat es im ersten Halbjahr laut dem Amt für Statistik weniger Touristen gezogen als im Vorjahr. Am Regen lag das nicht, sagt der Tourismus-Verband. Woran dann?
Urlauberin steht im Hotelzimmer und schaut aus dem Fenster, neben ihr steht ihr Koffer und ihr Rucksack
Übernachtungszahlen
Übernachtungszahlen

Deutschland-Tourismus erreicht neuen Halbjahresrekord

Im Juni 2025 verzeichneten deutsche Beherbergungsbetriebe 50,5 Millionen Übernachtungen – ein Plus von 3,8 Prozent zum Vorjahr. Trotz weniger ausländischer Gäste sorgt vor allem die starke Inlandsnachfrage für einen neuen Bestwert im ersten Halbjahr.