Mitarbeiterbindung in schwierigen Zeiten
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Mitarbeiterbindung in schwierigen Zeiten

In der Krise zeigt sich wahre Führungsqualität

von Michael Eichhammer
Donnerstag, 06.05.2021
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Die Hotellerie- und Gastronomie-Branche zählt zu den großen Verlierern der Pandemie, seit Deutschland im März 2020 in den gefühlt ewigwährenden Lockdown ging. Nicht nur die Umsätze gingen verloren, sondern bisweilen auch das Personal. Die gefühlte Perspektivlosigkeit einer nicht länger planbaren Zukunft trieb auch wertvolle Fachkräfte zum Branchenwechsel. Manchen Unternehmen gelang es trotz der nervenzehrenden Situation, ihre Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Wir haben mit vielen Experten gesprochen, um hinter das Geheimnis dieses Erfolgs zu kommen.

Informationspolitik
In den H-Hotels wird eine transparente Informationspolitik gelebt.
Foto: H-Hotels

Intrinsische Mitarbeitermotivation

»Dem Mitarbeitenden ist zwar wichtig, dass die Arbeitsumgebung mit Gehalt, Arbeitsbedingungen und der Sicherheit des Arbeitsplatzes stimmen, jedoch motiviert der Arbeitsinhalt, d.h. die Tätigkeit selbst, die Möglichkeit, etwas zu leisten und Verantwortung zu übernehmen, deutlich mehr«, weiß Rebecca Rensinghoff. Die seinerzeit jüngste Betriebsleiterin bei Vapiano schreibt gerade eine Masterarbeit zum Thema. Möglichkeiten, in der Gastronomie und Hotellerie an diesem Punkt anzusetzen, sind zum Beispiel gute Führung, Mitarbeiterentwicklung und regelmäßiges Feedback, ebenso wie Job Enrichment, Job Enlargement und Job Rotation.

Rebecca Rensinghoff
Rebecca Rensinghoff ist ein
F&B Hero in Personalfragen
Foto: F & B Heroes

Kommunikation als Schlüssel zur Mitarbeiterbindung

Transparentes Handeln ist dabei ein wesentlicher Baustein erfolgreicher Führung. Davon ist auch Kati Kliemann, Vice President Human Resources Operations bei H-Hotels, überzeugt: »Mitarbeitern muss die Chance gegeben werden, zu verstehen, warum welche Entscheidungen getroffen werden.« Deshalb wird bei den H-Hotels großer Wert darauf gelegt, dass keine leeren Versprechungen gemacht werden. Selbstverständlich ist es in unserer Branche derzeit schwer, in diesen Zeiten überhaupt etwas zu versprechen, da niemand weiß, welche Hiobsbotschaften in den kommenden Wochen noch bevorstehen. Das wissen die Mitarbeiter – und so macht es nur Sinn, eine Sicherheit zu transportieren, wenn diese auch tatsächlich besteht. Als Unternehmen habe man aber den festen Glauben daran, dass sich die Lage, langfristig betrachtet, positiv entwickeln wird, so Kliemann.

Dabei gilt: Effiziente Mitarbeiter-Kommunikation muss authentisch, ehrlich und persönlich sein und natürlich Hoffnung machen. Wenn Mitarbeiter Sorgen, Ängste und Fragen haben, sollten die Hoteldirektoren ihre ersten Ansprechpartner sein. »Viele Mitarbeiter möchten auch einfach mal ›nur‹ ihre Sorgen loswerden: Hier gilt es, sich Zeit zu nehmen zum Zuhören. Empathie ist gefragt – und bestimmt schadet im richtigen Moment eine Prise Humor auch nicht«, berichtet Marion Krämer, Head of Human Resources der ACHAT Hotels, über ihre Erfahrungen der vergangenen Monate.

Schindlerhof
Nicole Kobjoll baut in puncto Führung im Schindlerhof auf
Vertrauen, größtmögliche Freiheit und ein harmonisches
Miteinander. Außerdem kennen alle Mitarbeiter die
Unternehmenszahlen und können so die Lage gut einschätzen.
Foto: Schindlerhof

Positive Arbeitskultur statt negativer Gedanken

Es ist schwierig, in Zeiten wie diesen optimistisch zu bleiben. Unternehmer sollten mit gutem Beispiel vorangehen. »Führung gelingt nur mit Selbstführung«, weiß Alexander Scharf, Gastronomie-Berater und Geschäftsführer der Gastro Urban GmbH, die vier Restaurants betreibt. »Es ist schwer, Mitarbeitern Angst zu nehmen, wenn der Unternehmer gerade selbst starr vor Angst vor seiner Liquidität hängt. Darum sollten wir den Fokus auf die Möglichkeiten richten, die Zeit nutzen und gemeinsam mit den Mitarbeitern den Strukturwandel im eigenen Unternehmen gestalten.« In Betrieben mit einer allgemein positiven Arbeitskultur ist man mental besser gewappnet. Dazu gehört eine faire Honorierung, Wertschätzung und Weiterentwicklung. »Uns gelingt es, auch im Lockdown eine positive Arbeitskultur zu leben. Wir stehen zu unserem Team, kommunizieren digital wöchentlich miteinander, machen Online-Schulungen, haben unsere Azubis auch im Haus und kümmern uns intensiv um diese. Mittags essen wir mit allen, die da sind«, so Scharf. Mitsprache führt automatisch zu einer höheren Identifikation.

Nicole Kobjoll
Nicole Kobjoll
Foto: Foto: Schindlerhof

Der Schindlerhof in Nürnberg wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem in der Kategorie Deutschlands Beste Arbeitgeber. Inhaberin Nicole Kobjoll beschreibt die eigene Unternehmenskultur als »geprägt von Vertrauen, Freude bei der Arbeit, größtmöglicher Freiheit und einem harmonischen Miteinander«. Ebenfalls ist ihr totale Transparenz ein Anliegen: »Nur ein Mitarbeiter, der auch die Zahlen kennt, kann die volle Verantwortung mit übernehmen und kann wirklich gute Ideen einbringen.« Dabei helfe die selbstentwickelte Mitarbeiter-App – für Information, Kommunikation, Chat, Ideenmanagement und Videokonferenzen. Zudem versteht man sich als Talentschmiede, dank interner Aus- und Fortbildung. Ebenfalls elementar für eine angenehme Atmosphäre ist die Mitsprache, unter anderem mit digitalem Ideenmanagement, Projekten, Karrieregesprächen, Open Door Policy und permanenter Kommunikation.

Deutsche Hospitality
Foto: Deutsche Hospitality

Ausbildung und Fortbildung

Aus- und Weiterbildungsangebote tragen maßgeblich zur Mitarbeitermotivation bei. Sie sind aber auch für den Betrieb von elementarer Bedeutung. Prüfungsvorbereitungen sind digital möglich, aber auch Prüfungsaufgaben können Corona-konform gelöst werden: Beispielsweise, indem eine Aufgabe wie das Eindecken vom Azubi allein im Raum bearbeitet wird und im Anschluss das Ergebnis geprüft wird. Lebenslanges Lernen gilt für Mitarbeiter auf allen Leveln – vom Azubi bis zum Direktor. Aus- und Fortbildungsprogramme rüsten für die Zukunft. Für die Phase nach der Krise rüstet auch das Platzl Hotel in München. Man habe Mitarbeiter verloren, die gekündigt haben, berichtet Direktor Heiko Buchta, doch habe man bereits jetzt die Anzahl der Azubis erhöht. »Ich habe immer noch einen Ausbildungsauftrag, das heißt: Küche, Housekeeping etc. muss ins Hotel, zum Anlernen«, berichtet Heiko Buchta. In seinen Augen eine lohnende Investition in die Zukunft, sowohl in Bezug auf die aktuellen Mitarbeiter als auch für zukünftige Aspiranten.

Ulrich Bensel
Ulrich Bensel, Deutsche
Hospitality, setzt auf
Fortschritt trotz Krise.
Foto: Steigenberger AG

Recruiting nach der Krise

Eines ist sicher: Alles hat ein Ende – auch eine Pandemie. Wenn der Aufschwung nach der Krise kommt und man bis dahin seine besten Mitarbeiter verloren hat oder nicht an den Nachwuchs dachte, beginnt die eigentliche Krise erst nach der Corona-Herausforderung. Denn in Zukunft wird gutes Personal wichtiger denn je sein. »Sobald Reisen wieder erlaubt sind und der Tourismus wieder hochfährt, wird auch die Nachfrage nach Mitarbeitern für das Gastgewerbe wieder steigen«, sagt Ulrich Bensel, Vice President Group Human Resources, Deutsche Hospitality (u.a. Steigenberger Hotels). »Die Bewerber werden dann ganz genau darauf achten, wie der potenzielle Arbeitgeber in der Krise mit seinem Personal umgegangen ist.«

Platzl Hotel
Das Platzl in München bildet in diesem
Jahr mehr Azubis aus. Foto: Platzl Hotel

Susanne Droux, Geschäftsführerin Berufsbildung und Branchenförderung beim DEHOGA Bayern, schaut optimistisch in die Zukunft, wenn es um den Nachwuchs geht: »Wir haben eine große Menge an Azubis, die gern ins Gastgewerbe wollen. Hotelfachmann/-fachfrau oder Koch ist nach wie vor ein Faszinationsberuf.« Damit das auch so bleibt, spielt die Perspektive auf die Selbständigkeit und eine Übernahme eines Betriebes bei Generationswechsel eine größere Rolle, auch in der Ausbildung. Über die aktuellen Azubis sagt sie: »Die waren in den Betrieben, haben diese aufrechterhalten.« Auffallend war in ihren Augen, dass die Prüfungsergebnisse besser waren als in den Jahren davor. Aus ihrer Sicht eine Folge dessen, dass Unternehmer sich in der pandemiebedingten Ruhephase mehr Zeit für die Auszubildenden nehmen konnten. Vielleicht macht dieses Beispiel ja auch nach der Krise Schule? Andreas Meier, General Manager des Radisson Blu Hotel Reussen, Andermatt, zieht ähnliche Schlüsse: »In Sachen Mitarbeiterführung hat mir die Krise wieder bestätigt, wie wichtig das Zuhören ist und wie sehr wir in der Hotellerie noch dazu neigen, unsere Mitarbeiter klassisch top-down ›managen‹ zu wollen.«

Radison Blu Andermatt
Andreas Meier, General Manager des Radisson Blu Hotel Reussen,
Andermatt, hat für seine Mitarbeiter nicht nur in der Krise stets ein
offenes Ohr.  Foto: Radisson Blu

Chance für einen Neuanfang

Die Krise als Reset? Das wäre in den Augen von Rebecca Rensinghoff (F&B Heroes) zu wenig: Statt der Wiederherstellung des Ausgangszustandes wünscht sie sich »einen Startschuss für eine tiefgreifende Weiterentwicklung«. Dazu gehören in ihren Augen Führungskräfte, die neben den Hardskills auch die Softskills mitbringen, um jedes Individuum und auch das gesamte Team zu führen, zu fordern und zu fördern. Zudem sollte das Image von Gastronomie und Hotellerie als Ort schlechter Arbeitsbedingungen mit schlechter Bezahlung entkräftet werden.

»Betreuung von Kindern, das Angebot von Sport- und Freizeitprogrammen, regelmäßige Feedback-Gespräche, Trainings und Schulungen zur Weiterbildung, Teambuilding«, nennt sie als Beispiele, wie Arbeitgeber Mitarbeiter an sich binden können. »Ich möchte hin zu einem wertschätzenden Miteinander, in dem wir uns gegenseitig helfen, dankbar sind für das, was andere um uns herum leisten, und dies anerkennen.«

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